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KÄTHE KOLLWITZ.

Im Jahre 1898 wurden die Besucher der großen Berliner Kunstausstellung durch einen
Zyklus von Radierungen und Lithographien überrascht, der den Titel: »Ein Weberaufstand« führte.
Die Wirkung dieser durch den herben Ernst ihres Stimmungsgehaltcs wie durch die freie und
energische Handhabung der Radiernadel gleich ausgezeichneten Blätter war eine um so verblüffen-
dere, als man erfuhr, daß sie von der Hand einer Dame herrührten. Nicht allein der Stoff, sondern
die männliche Kraft der Charakteristik, die Kühnheit des malerischen Vortrages widersprachen so
sehr allem, was man bisher in der bildenden Kunst von Frauenhand kannte, daß man geradezu
vor einem Rätsel stand. Es war keine Frage: der Weber-Zyklus von Käthe Kollwitz bildete den
Höhepunkt der an Meisterwerken freilich nicht eben reichen graphischen Abteilung. Man sprach
in den Kreisen der Intimen viel davon, die Jury habe der jungen Künstlerin die goldene Medaille
zuerkannt, sie sei ihr aber aus unerforschten Gründen schließlich doch nicht verliehen worden.
Was daran Wahrheit oder Dichtung war, ich weiß es nicht, genug: sie erhielt die goldene Plakette
ein Jahr später auf der deutschen Kunstausstellung in Dresden, und sie hatte sie ehrlich verdient.

Die Anregung zu dem Weber-Zyklus bot der Künstlerin Hauptmanns Drama, das sie bei
seiner ersten Aufführung im Deutschen Theater sah. Dennoch sind die einzelnen Blätter keines-
wegs bloße Illustrationen zu Szenen des Stückes, sondern gewissermaßen freie Variationen einer
kongenialen Künstlerphantasie über dasselbe Thema.

Der Zyklus besteht aus sechs Bildern, von denen die drei ersten auf Stein gezeichnet, die
drei anderen radiert sind. Auf dem ersten Blatt ist die Xot der Armen geschildert: eine Mutter
beugt sich verzweifelnd über ihr sterbendes Kind, dahinter sitzt im Dunkel der niedrigen Weberwerk-
statt eine Alte und starrt, ein zweites Kind auf dem Arm, dumpf brütend vor sich hin. Die trost-
lose Stimmung steigert sich: der Tod faßt die entkräftete Frau am Arm und der Mann steht, die
Hände auf dem Rücken, in ohnmächtiger Verzweiflung neben dem Webstuhl. Das dritte Bild
führt in die vom Licht einer Petroleumlampe schwach erhellte, von Tabaksqualm durchzogene
Wirtsstube. Vier Männer sitzen zusammengedrängt um die Ecke des Tisches. Mit geballten
Fäusten, den Hals weit vorgereckt, scheinen sie den Racheplan zu beraten. Gewitterschwüle
lastet auf der Komposition, die in ihrer Geschlossenheit die Wirkung der anderen Blätter noch
übertrifft. Dann folgt der Auszug der mit Äxten und Hacken bewaffneten Arbeiter. Finstere Ent-
schlossenheit im Blick, die Fäuste erhoben oder in der Tasche versteckt, ziehen sie dahin in Unheil
drohender Masse. Ein Weib mit dem müden Kind auf dem Rücken schreitet an ihrer Seite. Der
Sturm auf das eiserne Gartentor des Fabrikherrenhauses, das die Männer mit ihren Beilen zu

# Dieser Künstlerin hat Max Lehrs eine ganz ausgezeichnete Studie gewidmet, die zuerst in Maximilian Hardens »Zukunft« erschienen
ist. Wir glauben unseren Lesern nichts Vorzüglicheres bieten zu können als den Wiederabdruck dieser Arbeit, die der verehrte Verfasser auf
unseren Wunsch hin durch eine Anzahl von Zusätzen und Verbesserungen wie auch durch die Zugabe eines Verzeichnisses der graphischen
Arbeiten der Künstlerin vermehrt und dadurch dem Interesse unseres Leserkreises dienlicher gemacht hat. Die Redaktion.

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