werden sollen; es reicht hin, daß die Situation festgestellt wird, nicht laut, fast in einem kühlen Ton,
etwa wie man eine Erzählung einleitet oder ruhig leise ein Märchen beginnt. Die Gegenstände,
bald rührend, bald anspruchslos, immer lieblich in dem Sinne, daß man die Neigung verspürt, sind
derart, daß man aus diesen Blättern ein Schatzkästlein des Fahrafelder (dort, bei Böheimkirchen,
haust Kempf auf dem Lande seit mehreren Jahren) Hausfreundes zusammenstellen könnte. Es
rückten Wiener Straßenfiguren auf, etwa der Hausierer vom Xaschmarkt und der Dienstmann an
der Ecke, dann die Gestalten der »Sonntagsjause«, endlich die vielen Szenen aus dem Dorfe, wie man
sie im Vorübergehen wahrnimmt, wenn die Mähder heimkehren, Kinder, die im sonnigen Baumgarten
einander haschen, und — man befindet sich da in einer niederösterreichischen Weingegend — der
Frühling zwischen den sprossenden Reben, der Herbst bei der Mostkelter im Preßhaus. Den
draußen eingewöhnten Städter zieht es manchmal doch wieder in die Vaterstadt zurück, und Kempf
hat bei einer solchen Gelegenheit von einem Stück Altwien künstlerisch Abschied genommen,
indem er binnen drei Tagen während des Abbruchs des Kaiserspitals auf zehn Blättern heimelige
(Treppen und Küche) und unheimliche (Totenkammerl) Winkel des Krankenhauses dem Gedenken
einer auf nüchterne Gebäudehygiene bedachten Gegenwart aufbewahrte.
Partikularistische Strebungen gelten im politischen Staatsleben dafür, daß sie die Teilkräfte
zum Nachteil der ganzen großen Machteinheit stärken. Doch in der Kunst wird dadurch jenes oft
berufene »dritte Reich« gefördert, welches alle, sei es wie immer gearteten Bekenntnisse, die hie-
nieden von Abhängigkeiten bedrängt werden, zu höherer Freiheit geleitet. Aus diesem Empfinden
heraus erscholl das Werbewort der »Heimatkunst«, die es freilich allezeit gegeben hat, aber neuer-
dings gegen die Zentralisierung, die Leitung der Kunst von einer Stelle aus, ins Feld geführt wird.
Bevor ähnliche Sonderungen in dem national immer schroffer sich scheidenden Österreich durch
neu gegründete Zeitschriften deutsch, tschechisch und polnisch laut zum Ausdruck kamen, haben
immer schon stillschweigend Äußerungen des Kunstschaffens fern vom Mittelpunkt des Staates
ihr Leben geführt. Von den bewußten Abzweigungen wird später die Rede sein, obwohl sich ein
genau abzirkelnder Plan in der Darstellung nicht einhalten läßt. Alle Klassenteilungen werden
durchbrochen, wenn sich innerlich oder dem Stamm nach Verwandte zueinander finden.
Die Deutschböhmen, regsam und arbeitstüchtig, schwärmen früh von der heimatlichen Scholle
aus. Hermine Laukota (geb. Prag 1853) hat in Antwerpen und München, vorübergehend auch
bei Unger in Wien ihr Können begründet, das sie dann autodidaktisch fortbildete. Der ihr nach-
gerühmte »Monismus des Naturempfindens« läßt sich am deutlichsten in den Radierungen ver-
nehmen, welche ein genaues Eingehen auf ein Gegebenes enthalten, also in Landschaften, als
dem Bilde des Vergehens und Werdens, und auch das Porträt eines Mikroskopikers sagt in dessen
Andacht mehr als die symbolisch oder allegorisch gemeinten Erfindungen. Wenn ein einsiedlerisch
dürftiger Greis, vor seiner Hütte sitzend, ein Marmorfigürchen betrachtet, während am Himmel ein
greller Blitz niedergeht, so erleuchtet dieser auch den Sinn der Komposition nicht, und das emo-
tionelle Moment bleibt hinter der bläßlichen Rhetorik (»Vor dem Forum der Vernunft«, »Bild zu
Sa'is«) auch in der zeichnerischen Durchführung zurück. — In seiner Heimat ist Heinrich
Jakesch (geb. Prag 1867) ansässig geworden, an der Seite seines Bruders Alexander, zuerst wie
dieser ausschließlich Maler, dann aber der Radierkunst ergeben, nachdem er in München eine
höchst »akademische« Lehrzeit durchgemacht und zwei Jahre in der Schönheitswelt Italiens ver-
lebt hatte. Ihr wurde er nie abtrünnig; die Damenporträte behalten immer etwas Schmeichlerisches,
aus ihrem Dunkel lockt er sie gern durch einige Farbenakzente heraus, auf dem hier abgebildeten
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etwa wie man eine Erzählung einleitet oder ruhig leise ein Märchen beginnt. Die Gegenstände,
bald rührend, bald anspruchslos, immer lieblich in dem Sinne, daß man die Neigung verspürt, sind
derart, daß man aus diesen Blättern ein Schatzkästlein des Fahrafelder (dort, bei Böheimkirchen,
haust Kempf auf dem Lande seit mehreren Jahren) Hausfreundes zusammenstellen könnte. Es
rückten Wiener Straßenfiguren auf, etwa der Hausierer vom Xaschmarkt und der Dienstmann an
der Ecke, dann die Gestalten der »Sonntagsjause«, endlich die vielen Szenen aus dem Dorfe, wie man
sie im Vorübergehen wahrnimmt, wenn die Mähder heimkehren, Kinder, die im sonnigen Baumgarten
einander haschen, und — man befindet sich da in einer niederösterreichischen Weingegend — der
Frühling zwischen den sprossenden Reben, der Herbst bei der Mostkelter im Preßhaus. Den
draußen eingewöhnten Städter zieht es manchmal doch wieder in die Vaterstadt zurück, und Kempf
hat bei einer solchen Gelegenheit von einem Stück Altwien künstlerisch Abschied genommen,
indem er binnen drei Tagen während des Abbruchs des Kaiserspitals auf zehn Blättern heimelige
(Treppen und Küche) und unheimliche (Totenkammerl) Winkel des Krankenhauses dem Gedenken
einer auf nüchterne Gebäudehygiene bedachten Gegenwart aufbewahrte.
Partikularistische Strebungen gelten im politischen Staatsleben dafür, daß sie die Teilkräfte
zum Nachteil der ganzen großen Machteinheit stärken. Doch in der Kunst wird dadurch jenes oft
berufene »dritte Reich« gefördert, welches alle, sei es wie immer gearteten Bekenntnisse, die hie-
nieden von Abhängigkeiten bedrängt werden, zu höherer Freiheit geleitet. Aus diesem Empfinden
heraus erscholl das Werbewort der »Heimatkunst«, die es freilich allezeit gegeben hat, aber neuer-
dings gegen die Zentralisierung, die Leitung der Kunst von einer Stelle aus, ins Feld geführt wird.
Bevor ähnliche Sonderungen in dem national immer schroffer sich scheidenden Österreich durch
neu gegründete Zeitschriften deutsch, tschechisch und polnisch laut zum Ausdruck kamen, haben
immer schon stillschweigend Äußerungen des Kunstschaffens fern vom Mittelpunkt des Staates
ihr Leben geführt. Von den bewußten Abzweigungen wird später die Rede sein, obwohl sich ein
genau abzirkelnder Plan in der Darstellung nicht einhalten läßt. Alle Klassenteilungen werden
durchbrochen, wenn sich innerlich oder dem Stamm nach Verwandte zueinander finden.
Die Deutschböhmen, regsam und arbeitstüchtig, schwärmen früh von der heimatlichen Scholle
aus. Hermine Laukota (geb. Prag 1853) hat in Antwerpen und München, vorübergehend auch
bei Unger in Wien ihr Können begründet, das sie dann autodidaktisch fortbildete. Der ihr nach-
gerühmte »Monismus des Naturempfindens« läßt sich am deutlichsten in den Radierungen ver-
nehmen, welche ein genaues Eingehen auf ein Gegebenes enthalten, also in Landschaften, als
dem Bilde des Vergehens und Werdens, und auch das Porträt eines Mikroskopikers sagt in dessen
Andacht mehr als die symbolisch oder allegorisch gemeinten Erfindungen. Wenn ein einsiedlerisch
dürftiger Greis, vor seiner Hütte sitzend, ein Marmorfigürchen betrachtet, während am Himmel ein
greller Blitz niedergeht, so erleuchtet dieser auch den Sinn der Komposition nicht, und das emo-
tionelle Moment bleibt hinter der bläßlichen Rhetorik (»Vor dem Forum der Vernunft«, »Bild zu
Sa'is«) auch in der zeichnerischen Durchführung zurück. — In seiner Heimat ist Heinrich
Jakesch (geb. Prag 1867) ansässig geworden, an der Seite seines Bruders Alexander, zuerst wie
dieser ausschließlich Maler, dann aber der Radierkunst ergeben, nachdem er in München eine
höchst »akademische« Lehrzeit durchgemacht und zwei Jahre in der Schönheitswelt Italiens ver-
lebt hatte. Ihr wurde er nie abtrünnig; die Damenporträte behalten immer etwas Schmeichlerisches,
aus ihrem Dunkel lockt er sie gern durch einige Farbenakzente heraus, auf dem hier abgebildeten
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