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Max Slevogt, Aus »Ali Baba«

Verlag von Bruno Cassirer, Berlin.

MAX SLEVOGT ALS ILLUSTRATOR

X.

Die kunstgewerbliche Reformbewegung, die sich im letzten Viertel des XIX. Jahrhunderts
auf dem Gebiete der Buchausstattung geltend gemacht hat, konnte nicht nur Gutes bringen.
Wenn es auch unbedingt nötig geworden war, daß Bücher wieder gut gedruckt und gebunden
wurden, so wie es William Morris verlangte und zeigte, wenn in diesem Bestreben auch die orna-
mentale Ausstattung einer dringenden Regenerierung für würdig befunden wurde, man darf dabei
nicht vergessen, daß dies eine Tatsache ward: Im modernen Buch war kein Raum mehr für eine künst-
lerische Illustration, so wie etwa in einer vollkommen stilrein eingerichteten Wohnung kein Platz
blieb für wirkliche selbständige Gemälde. Die Zeichnungen und Holzschnitte von Walter Crane
und den Andern, welche die Publikationen der Morris-Presse schmückten, ja selbst die so feinen
und gut empfundenen Arbeiten Luden Pissarros sind keine Graphik im reinen Sinne, sondern
feinstes Kunstgewerbe. Diese in den Text eingeordneten Holzschnitte fügen sich einer ornamen-
talen Idee, der Idee einer harmonischen Gesamterscheinung des Druckspiegels; sie liegen einge-
spannt im Prokrustesbett der Arabeske, einer oft wundervollen Arabeske allerdings, aber doch einer
Arabeske, einer Zierform also, keiner Ausdrucksform. Daß die innerhalb dieser Richtung seinerzeit
führenden englischen Illustratoren von den Präraffaeliten herkamen und somit halbe Kunst-
gewerbler waren, ist nicht allzu bedeutungsvoll. Wichtiger erscheint, daß das Prinzip der buch-
mäßigen Stilreinheit dies verlangte und auch von stärkeren Persönlichkeiten dieses Opfer gefordert
hätte. Es ist unserer Zeit nun einmal nicht mehr vergönnt, Bilder in ein Buch zu tun, zeichnungs-
mäßige Illustrationen, die zugleich in letzter Harmonie stehen mit dem ästhetischen Eindruck der
vollendet angeordneten und in charaktervoller Type gedruckten Buchseite. Seitdem einmal diese
Möglichkeit von den größten Zeichnern des XV. Jahrhunderts und von Holbein erschöpft war,
seitdem Dürer sich kühn über die Diskrepanz hinweggesetzt hatte (wenn ihm nicht gerade, wie im
Gebetbuch, eine Ausnahmeaufgabe geboten war), seitdem sind die Epigonen zur Entscheidung-
verdammt, was sie wollen: Ausdruck, Leben, das heißt Kunst, oder reinen Stil, das heißt in diesem
Falle Archaismus. Ein Drittes gibt es nicht. Nicht nur die Engländer, die Präraffaeliten, zeigen

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