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ALT-WARSCHAU.

Eine Folge von Lithographien Leon Wyczöikowskis.

»Vor einigen Jahren« — so erzählte mir eine geistreiche polnische Dame — »traf ich zufälliger-
weise mit Professor Wyczölkowski in Rom zusammen. Es war die erste italienische Reise des
Künstlers, und so können Sie sich leicht vorstellen, welch ein gewaltiges Kriebnis für diese
äußerst erregbare Künstlernatur der Aufenthalt in der ewigen Stadt gewesen. Mir scheint es aber,
daß die Umgebungen Roms, insbesondere die Campagna, den stärksten Eindruck in seiner Seele
hinterlassen haben. Vielleicht spielte dabei auch die Erinnerung an sein geliebtes ukrainisches
Flachland mit; jedenfalls aber versetzte ihn die römische Landschaft in Entzücken. Und in leben-
diger Vorstellung bewahre ich eine Episode, die mir in die Seele des Künstlers einen tiefen
Einblick gewährte und ihn selbst für einige Momente ganz glücklich machte . . . Eines Tages
gingen wir über die Piazza Spagna; als wir uns der zur Trinitä dei Monti führenden Stiege
näherten und Wyczölkowski der dort feilgebotenen farbenreichen Blumen gewahr wurde, schritt
er auf sie mit strahlendem Antlitze zu und breitete die Arme aus, als wollte er sie an seine Brust
drücken . . .«

Ja, Licht und Farbe, das sind die zwei Dominanten seines Malerwerkes. Und da auch
Wyezötkowskis Graphik die gleichen Wege wandelt, so wollen wir uns vorerst die Kunst des
Malers vergegenwärtigen.

Leon Wyczölkowski wurde 1852 in Miastköw Koscielny (Gouvernement Siedice im König-
reich Polen) geboren.1 Nach Absolvierung der Schulen in Warschau genoß er in den Jahren 1869
bis 1875 den Zeichenunterricht in der dortigen Zeichenschule unter Professor Wojciech Gerson,
um dann nach München zu übersiedeln Lind sich der Leitung Professor Alexander Wagners
anzuvertrauen. Seine Lehr- und Wanderjahre schloß er in Krakau beim Altmeister Jan Matejko
ab. Wie die Mehrzahl seiner Schulgenossen konnte auch Wyczölkowski sich der scharf aus-
geprägten künstlerischen Individualität Matejkos, der damals durch seine mächtigen historischen
Kompositionen fast allgemeine Bewunderung hervorrief, nicht entziehen und wandte sich den
historischen Themen zu. Und so entstand 1880 sein in Öl ausgeführtes, eine Episode aus der
polnischen Geschichte des XVII. Jahrhunderts behandelndes Bild »Die Flucht der Maryna Mnisz-
chöwna«, ein Werk, das viel Anerkennung fand. Es war dies jedoch nicht das Gebiet, auf dem
er weiterschaffen sollte. Sein Temperament, sein für Augenblickseindrücke empfindliches Auge
wies ihm bald den richtigen Weg: die ihn umgebende Welt. Er begann nach seiner Rückkehr nach
Warschau mit der Genremalerei, wobei er in allen möglichen Mal- und Zeichnungstechniken seine

i Die biographischen Daten, die Nachrichten über den künstlerischen Weidegang Wyczolkowskis und die Entstehungsdaten seiner
graphischen Werke verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. Theudor Kosen in Krakau, eines Freundes des Künstlers. Es sei besonders
darauf hingewiesen, daß dem überwiegenden Teile dieser Mitteilungen häufige Gespräche mit dem Künstler zugrunde hegen. Einige Daten sind
schließlich dem ■Gedenkbuche des Vereines der Kunstfreunde in Krakau, 1S54—1004« (»Pamietnik Towarzystwa Przyjaciöl Sztuk Pieknycb
1854—1904., Wydanie pierwsze, Krakow 1005) entnommen

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