EMMA HRNCZYRZ.
In Brunn am Gebirge in der Xähe Wiens
ist am 30. Dezember 1923 Emma Hrnczyrz ver-
schieden. Wie mir mitgeteilt wurde, hat sie in
ihrem übergroßen künstlerischen Pflichtgefühl, um
eine angefangene Platte fertig radieren zu können,
eine schon dringend notwendige Operation zu
lange hinausgeschoben, so daß es schließlich zu
spät war und sie an den Folgen der Operation
starb. Mit ihr ist eine bescheidene, feinsinnige
und überaus tüchtige Radiererin dahingegangen.
Sie hatte an der Kunstschule für Frauen
und Mädchen ihre künstlerische Ausbildung
erhalten. Die Radierung fesselte sie so stark,
daß die Nadel vom Beginn ihrer selbständigen
Entwicklung bis an ihr so frühes Ende ihr aus-
schließliches künstlerisches Ausdrucksmittel ge-
blieben ist. Sie war so Vollblutradiererin, daß sie
eigentlich ohne Vorzeichnung — nach einigen
Orientierungslinien — unmittelbar vor der Natur
sofort mit der Nadel auf der Platte arbeitete,
selbst bei so schwierigen Aufgaben, wie sie
manche Interieurs mit ihren schlechten Be-
lichtungsmöglichkeiten mit sich brachten.
Ihr Radierwerk umfaßt etwa fünfzig Platten zumeist kleineren Formats. Sie begann mit Interieurs
aus Wiener Kirchen, der Elisabeth-, Michaeler-, St.-Peters-Kirche, gewissenhaft, aber noch material-
ängstlich. Doch von Platte zu Platte sind die Fortschritte deutlich wahrzunehmen, vor allem in der
Auffassung, die immer freier und sicherer wird, bis zum letzten und besten Kircheninterieur, einem
Barockaltar mit gewundener Säule aus der Jesuitenkirche in Wien. Diese Radierung ist ein virtuoses
Blatt. Hier zeigt sie im Vollgefühl ihres Könnens deutlich die große Sicherheit, die sie in der
Beherrschung der Radiertechnik erlangt hat. Es ist eine Freude zu sehen, wie sie mit feinstem
Formgefühl, »mit der Nadel förmlich liebkosend«, die quellenden Barockformen dieser Säule um-
schmeichelt, umkreist und nachempfindend in die Kupferplatte einritzt und ihr alle Licht- und
Reflexreize abzugewinnen vermag. Eine Vorstudie zu dieser Radierung fand sich in ihrem Nach-
lasse noch ungeätzt.
Ihre Technik war reine Strichätzung, selten Trockenstift-Radierung. Das jetzt so beliebte
Durchdrück-Verfahren (Vernis mou), dessen Wirkung an die Lithographie gemahnt, oder gemischte
Emma Hrnczvrz, Selbstbildnis.
Radierung.
61
In Brunn am Gebirge in der Xähe Wiens
ist am 30. Dezember 1923 Emma Hrnczyrz ver-
schieden. Wie mir mitgeteilt wurde, hat sie in
ihrem übergroßen künstlerischen Pflichtgefühl, um
eine angefangene Platte fertig radieren zu können,
eine schon dringend notwendige Operation zu
lange hinausgeschoben, so daß es schließlich zu
spät war und sie an den Folgen der Operation
starb. Mit ihr ist eine bescheidene, feinsinnige
und überaus tüchtige Radiererin dahingegangen.
Sie hatte an der Kunstschule für Frauen
und Mädchen ihre künstlerische Ausbildung
erhalten. Die Radierung fesselte sie so stark,
daß die Nadel vom Beginn ihrer selbständigen
Entwicklung bis an ihr so frühes Ende ihr aus-
schließliches künstlerisches Ausdrucksmittel ge-
blieben ist. Sie war so Vollblutradiererin, daß sie
eigentlich ohne Vorzeichnung — nach einigen
Orientierungslinien — unmittelbar vor der Natur
sofort mit der Nadel auf der Platte arbeitete,
selbst bei so schwierigen Aufgaben, wie sie
manche Interieurs mit ihren schlechten Be-
lichtungsmöglichkeiten mit sich brachten.
Ihr Radierwerk umfaßt etwa fünfzig Platten zumeist kleineren Formats. Sie begann mit Interieurs
aus Wiener Kirchen, der Elisabeth-, Michaeler-, St.-Peters-Kirche, gewissenhaft, aber noch material-
ängstlich. Doch von Platte zu Platte sind die Fortschritte deutlich wahrzunehmen, vor allem in der
Auffassung, die immer freier und sicherer wird, bis zum letzten und besten Kircheninterieur, einem
Barockaltar mit gewundener Säule aus der Jesuitenkirche in Wien. Diese Radierung ist ein virtuoses
Blatt. Hier zeigt sie im Vollgefühl ihres Könnens deutlich die große Sicherheit, die sie in der
Beherrschung der Radiertechnik erlangt hat. Es ist eine Freude zu sehen, wie sie mit feinstem
Formgefühl, »mit der Nadel förmlich liebkosend«, die quellenden Barockformen dieser Säule um-
schmeichelt, umkreist und nachempfindend in die Kupferplatte einritzt und ihr alle Licht- und
Reflexreize abzugewinnen vermag. Eine Vorstudie zu dieser Radierung fand sich in ihrem Nach-
lasse noch ungeätzt.
Ihre Technik war reine Strichätzung, selten Trockenstift-Radierung. Das jetzt so beliebte
Durchdrück-Verfahren (Vernis mou), dessen Wirkung an die Lithographie gemahnt, oder gemischte
Emma Hrnczvrz, Selbstbildnis.
Radierung.
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