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die brennende Mittagssonne durchbricht. Mit den einfachen Mitteln sparsamster Linienführung ist
hier vom Künstler all die kraftvolle süße Sehnsucht und betäubende Glut des böhmischen Land-
sommers eingefangen. Das Bild leuchtet vom Gluthauch weißer Flächen, welche nur stellenweise
von den dünnen Schraffen grauer Striche unterbrochen sind. Der Linienrhythmus der ganzen
Komposition (voll genialischer Konzentration) wird zum beredten Ausdruck eines Lobgesangs
animalischer Wonne des Augenblicks. Die Silhouette der Figur dagegen ist von Innigkeit beseelt,
durchglüht von der Liebe des Künstlers, Vision und doch ganz Realität. Die Sparsamkeit der gra-
phischen Mittel grenzt bei allem gesteigerten Ausdruck an das Äußerste.

Der letzte Holzschnitt Svabinskys, gleichsam der Gipfelpunkt seines Holzschnittoeuvres ist
»Der goldene Abend«, 1919 geschnitten. (Abb.Seite 71). Eine Linienarabeske von hohem persönlichen
Reiz bindet die reich modellierten Formen ganz in die Fläche. Verschwunden sind jene starken
Kontraste, die den Eindruck der vorhergegangenen Blätter bestimmen. Die Gesamttönung ist einfacher
bei weitaus nuancenreicheren Abstufungen. Eine unsichtbare Lichtquelle, die Abendsonne, leuchtet
warm aus jeder Stelle des Blattes. Auch der Inhalt ist ein anderer. War früher der Fieberrausch
sinnlicher Liebe das treibende Motiv der »Paradieses-Sonate«, so ist es hier das abendlich ruhig
werdende Leben der Natur; die Menschenfamilie verschmilzt in süßem Selbstvergessen mit der
ganzen animalischen und vegetativen Umgebung. Es geht um mehr, als um die sinnliche Liebe und
ihre vereinende Schönheit: um das ganze reiche volle Leben selbst, das aus jedem formalen Zuge
spricht, aus jeder Bewegung und jedem funkelnden Lichtreflex. Auf dieser Entwicklungsstufe gelangt
Svabinsky zum völligen künstlerischen Sichausleben und seine erfahrene Künstlerhand langt nach
Aufgaben, die nicht mehr im Bereiche der Graphik, sondern in der großen Sphäre der Monumental-
malerei liegen. Die Graphik, die in der Entwicklung des Künstlers die Malerei erreicht, wird nun bis
auf Gelegenheitsarbeiten nicht mehr ausgeübt, um wiederum der Malerei die Führerschaft zu über-
lassen, die den Meister vor neue koloristische und formale Probleme stellt.

Die Holzschnitte dagegen verbleiben auf dem geraden Wege seiner bisherigen Entwicklung,
als herrliche Belege eines völligen Sichauslebens des persönlichen Schicksals im Kunstwerk. Sie
sind Höhepunkte der tschechischen Graphik, die sich den Gipfelleistungen des modernen europä-
ischen Schaffens ebenbürtig an die Seite stellen. Jan Rambousek.
 
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