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DAGOBERT PECHE ALS GRAPHIKER.

Wer viel mit bildender Kunst zu tun hat, sieht sich namentlich bei
kunstgeschichtlich noch nicht geeichten Werken immer wieder vor die Frage
gestellt: Ist dieses Gemälde, diese Skulptur, diese Graphik ein Kunstwerk
oder nicht? Mit den landläufigen Definitionen des Kunstwerks, selbst mit
Zolas vielzitiertem Satze »Une oeuvre d'art est un coin de la creation vu ä
travers un temperament« kommt man der Sache im Zeitalter der »gegen-
standlosen« Kunst nicht viel näher, weil in allen diesen Umschreibungen des
Begriffes Kunstwerk in der Regel zu viel Gewicht auf »inhaltliche« Momente
gelegt wird. Man wird darum versuchen müssen, die Beantwortung dieser
Frage von der Wirkung abhängig zu machen, die das betreffende Werk
auf den Beschauer ausübt. Denn jede echte Kunstschöpfung ist wie ein Stück-
chen Radium, das unaufhörlich Strahlen aussendet, und diese Ausstrahlungen,
das untrüglichste Kriterium des wahren Kunstwerks, sind um so stärker
fühlbar, je bedeutender der Künstler ist, der hier seine Ideen verkörperte.
Ein unversiegbarer lebendiger Strom, ziehen uns diese Emanationen einer
genialen Persönlichkeit noch nach Jahrhunderten mit magischer Gewalt in
ihren Bann, erwärmen, erheben und beglücken uns; wo wir solche Energien
nicht spüren, da kann von Kunst keine Rede sein. Demgemäß richtet sich der
innere Wert eines Kunstdinges keineswegs nach der Beschaffenheit des dar-
gestellten Sujets, sondern einzig und allein nach der geistigen Potenz des
gestaltenden Künstlers, beziehungsweise danach, ob derselbe in dem betreffenden Werke sein
Persönlichstes voll und ganz zum Ausdruck gebracht hat. Von diesem Gesichtspunkte aus gesehen,
spielen auch die so häufig zwischen »hoher« und »angewandter« Kunst gezogenen Grenzen bei
Beurteilung des Kunstwertes eines Gegenstandes gar keine Rolle. Ein kunstgewerbliches Erzeugnis,
dem ein hervorragender Künstler den Stempel seiner Persönlichkeit aufgedrückt hat, ist unter allen
Umständen ein Kunstwerk, während so manches Gemälde größten Formats diesen Titel nicht
verdient, wenn sein Verfertiger eben nur ein Durchschnittsmaler gewesen ist.

Dies sei vorausgeschickt, um die richtige Einstellung zu den Arbeiten des allzufrüh dahin-
gegangenen Architekten Dagobert Peche1 zu gewinnen, der als Mitarbeiter Josef Hoffmanns in der

1 Über Dagobert Peche, der am 16. April 1923 im Alter von 36 Jahren in Mödling starb, vgl. meine biographische Skizze im Katalog zur
Dagobert Peche-Gedächtnis-Ausstellung (Österreichisches Museum für Kunst und Industrie, September—November 1923). Seite 25—35, Max
Eislers reich illustrierte Peche-Monographie in der Sammlung iDas Kunsthandwerk in Einzeldarstellungen«, I. Band (Wien 1925, Verlag von
Gerlach & Wiedling) sowie L. W. Rochowanski, »Zur Erinnerung an Dagobert Peche« in der Zeitschrift .Deutsche Kunst und Dekoration«,
Band 54 (1925), Seite 51 —5S.

Dagobert Peche, Feder-
zeichnung.

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