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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 50.1927

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Zoege von Manteuffel, Kurt: Apokryphe Rethel-Holzschnitte
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https://doi.org/10.11588/diglit.6342#0016
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APOKRYPHE RETHEL-HOLZSCHNITTE.

Wann ist ein Holzschnitt als Originalarbeit zu bezeichnen? In gleichem Sinne wie von Maler-
radierungen könnte man von Malerholzschnitten sprechen und demnach als Originale nur Arbeiten
gelten lassen, die von der Erfindung bis zur Schnittausführung von einer Hand sind. Das ent-
spräche der Auffassung des Künstlers unserer Zeit und der Forderung, die seit etwa einem
Menschenalter der Liebhaber zu stellen sich gewöhnt hat. Tatsächlich gelangt mancher Künstler
unserer Tage erst beim Schneiden zur letzten Formung seines Werkes, entwickelt er erst mit dem
Messer in der Hand auf dem Stock die stilistische Haltung im Einzelnen. Beim modernen Holzschnitt
mag also eine so strenge Einschränkung berechtigt sein. Für frühere Zeiten aber ist zwischen
Originalholzschnitt und Reproduktionsholzschnitt anders zu trennen.

Bei alten Holzschnitten ist es nur in vereinzelten Fällen möglich, eindeutige Aufklärung über
die Entstehungsweise zu erlangen. Positive Nachrichten über die Vereinigung des ganzen Arbeits-
ganges in einer Hand fehlen fast ganz; wir sind auf stilkritische Feststellungen angewiesen, bei
denen oft genug die Schönheit der Schnittausführung oder ihre größere oder geringere Treue zu
Schlüssen führen mögen, die den Tatsachen nicht genau entsprechen. Der Fall der Arbeitsteilung
ist häufiger historisch gesichert, sei es, daß der Holzschneider sich neben dem Erfinder und
Zeichner auf dem Blatt nennt, sei es, daß anderweitige schriftliche Überlieferung über die Zu-
sammenarbeit beider sich erhalten hat. Immerhin sind auch das seltene Fälle. Aus ihnen ergibt sich,
daß diese Arbeitsteilung der Qualität des Werkes keinen Abbruch zu tun brauchte.

Vier Etappen sind bei der Entstehung eines Holzdruckstockes zu unterscheiden: die Erfindung
einer Darstellung, die Anfertigung einer holzschnittgerechten Zeichnung, ihre Übertragung auf den
Holzstock, die Schnittausführung auf diesem. Häufig werden die beiden ersten, besonders wenn
man von etwaigen vorbereitenden Skizzen absehen will, zusammenfallen; oft mag die zweite Stufe
übersprungen und die Zeichnung auf Grund eines Entwurfes sofort auf dem Holzstocke gefertigt
werden. Mit der Übertragung auf den Holzstock kann der ScharTensakt vollendet sein; er war es
in alten Zeiten wohl immer, so daß bei der Schnittausführung, ob sie nun eigenhändig war oder
nicht, keine wesentlichen Züge hinzukamen. Die Treue der Schnittausführung vorausgesetzt, ist
also bei alten Holzschnitten jene moderne Forderung belanglos.

Genügt somit für ältere Zeiten der Nachweis der eigenhändigen Aufzeichnung, so ist anderer-
seits zu fordern, daß alles, was von fremder Hand übertragen wurde, aus dem engeren Kreis der
Originalwerke ausgeschieden wird. Die Hand, die sich zwischen Erfinder und Holzschneider schiebt,
muß das Werk des Künstlers wesentlich verändern. Es ist erfahrungsgemäß unmöglich, die künst-
lerische Handschrift restlos Wiederzugeben. Das gilt auch für die Entstehung der Holzschnittauf-
zeichnung und in verstärktem Maße für die Fälle, in denen die Umarbeitung zu schnittgerechter
Linienführung von fremder Hand ist, also schon die zweite Etappe oder mit ihrer Übergehung die
dritte ihr verdankt wird.

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