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FRANS MASEREEL.
DIE HOLZSCHNITTFOLGE LA VILLE«.1

Wieder hat dieser wunderbare Künstler eine Sammlung Holzschnitte in die Welt gesandt, und
aufs neue staunt man über diese ungeheure Produktivität und rastlose Arbeitskraft. Er versteht
es wie kein anderer, uns jedesmal einen neuen, scharf-eindringlichen Blick in das Alltagsleben
zu geben, welcher uns immer am stärksten anzieht.

Wie klar zeigt er uns, was wir jeden Tag anschauen können, aber nicht gesehen haben; was
uns entgangen ist, uns, Menschen, die, vom eilenden Strom des Lebens mitgerissen, keine Zeit
haben, einen Augenblick stillzustehen und objektiv das Leben in all seiner Unbarmherzigkeit und
seinem Egoismus zu übersehen. Masereel ist der Künstler, der uns plötzlich einen Spiegel vorhält,
und entsetzt schauen wir uns selbst an. Aber nicht nur das Außere des Lebens hat er in Holz
geschnitten. Wie viele Romane in Bildern hat er uns nicht geschenkt, worin wir unser eigenes
Leben zurückfinden, unsere eigene Jugend, unsere Ideale, unsere Streiche, Abenteuer, Leiden-
schaften, Enttäuschungen, Erstrebungen, Fehler, Aufstände, unseren Glauben, Streit, unser Leid und
unsere Unterwerfung! Wer kennt wie Masereel so genau nicht nur die Äußerlichkeiten des Lebens,
sondern auch die tiefen Strömungen, welche uns Kinder dieser Zeit durchwühlen! Und obschon
man aus seinen unzähligen Arbeiten fühlt, was diesem Künstler entgegengesetzt und zuwider ist,
was er haßt und was er liebt, doch ist er ein zu großer Künstler, um tendenziös wirken zu wollen.

Er zeigt uns die Welt von heute, unverschleiert und nackt. Er wendet sich unmittelbar an die
Anschauung. Dadurch ist er für jeden Menschen verständlich. Jeder, der diese Schwarz-Weiß-Blätter
durchblättert, wird etwas von sich selbst darin finden.

Mit den allereinfachsten 'Mitteln erreicht Masereel sein Ziel. Er hat das primitive Handwerk,
das im Mittelalter so blühte, aufgenommen und eine neue »Biblia pauperum« uns gestaltet.

Novellen und Romane. Er braucht keine Unterschriften und Texte. Seine Bilder erzählen uns
alles völlig. Es sind Filme des Lebens in beschleunigtem Gang. Er ist ein Meister in dem Ausdruck
der Bewegungsmotive, und das rasende Tempo dieser Zeit ist sein Rhythmus. Die flüchtigsten
Momente notiert er, Freude und Schmerz, Passion und Scheinheiligkeit gibt er in einigen herben
Schnitten. Mit den kärgsten Mitteln macht er uns alle menschlichen Gefühle sichtbar. Wie ein spannender
Film fesseln uns diese Lebensausschnitte.

Aber bei Masereel gibt es keinen Regisseur, der das Leben nach eigenen Ansichten arrangiert.
Er schaut aus dem Fenster auf die Straße, und alles, was jede Stunde da vorgeht, zeichnet er auf,
immer aufnahmefähig. Er ist dabei ein famoser Karikaturist. Wie geißelt er das Pharisäertum, die
Politiker, Kriegshetzer und Spekulanten. Wie tief schaut er in die Seele jedes Individuums und offenbart
uns, was da wühlt und kocht. Groß ist seine Liebe für die Schwachen, die Unterdrückten, die Arglosen
und die Vertrauensvollen, die, vom Leben zurückgeschlagen und verwirrt, unterzugehen drohen. »Er
hat die Gabe der Universalität«, hat Stephan Zweig geschrieben. Er fühlt kollektiv, und jeder Mensch
jeder Nationalität kann seine Sprache verstehen. Ob er episch oder symbolisch ist, er ist ebenso

1 Cent bois graves. Paris 1928, Pierre Vorms (Galerie Billiet).

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