Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 3.1938

DOI Artikel:
Musper, Theodor: Die Datierung und Lokalisierung der ältesten gedruckten Bücher und Laurens Janszoon Coster
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6338#0056
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Lebensdaten würde es gut passen, wenn wir uns die bereits tonig schraffierte Biblia pauperum
etwa um 1430—1440, die Ars moriendi um 1440, das in einer Ausgabe bereits mit typo-
graphischem Text gedruckte Speculum um 1450—1460 und das verfeinerte und eng schraf-
fierte Canticum Canticorum (Abb. 7) mit den überzüchteten, überschlanken Figuren und
ausgiebiger Verwendung von Spruchbändern um 1465 entstanden denken.

Die Datierung ist allerdings schwierig, da wir nur wenige datierte Gemälde aus der Zeit
kennen. Wichtig ist der 1448 datierte Erasmus-Altar des Dirck Bouts in Löwen, dessen Datum
wohl zu unrecht, bekrittelt wurde und der eine Parallele etwa zum Speculum darstellt. Das
1464 datierte Figurenalphabet gehört ohne Zweifel in die letzte Stufe.1 Wenn wir uns erinnern,
daß mit den Frühwerken Rogier van der Weydens in das Ende der Zwanziger- und die Drei-
ßigerjahre zurückgegangen werden muß, so werden wir die Apokalypse, die einen sehr alter-
tümlichen Eindruck macht, schon um 1420 setzen. Kristeller sagt bereits, ihr spätester Termin
müsse um Jahrzehnte vor der Mitte des 15. Jahrhunderts liegen.2 Ich möchte sie hypothetisch
dem Vater Costers geben, der 1436 starb und auch als Autor früher holländischer Einblatt-
drucke in Frage kommen könnte. Es ist damit ferneren Forschungen die Bahn bereitet. Die
Untersuchung, bzw. die Zusammenstellung der Hände und die Arbeitsteilung in den Büchern
wird noch zu mancher Diskussion Anlaß geben, auch die Frage, ob mehrere Kräfte am Werk
waren, ob wir äußersten Falles in einem Werk Zeichner, Holzschneider und Drucker unter-
scheiden, ob wir die nicht zu bestreitenden Unterschiede in der gesamten Produktion ledig-
lich als Entwicklung oder als Zeichen der Beteiligung mehrerer Hände ansehen müssen? Der
Name Coster bleibt zunächst noch Sammelbegriff. Sicher ist aber, daß Haarlem der Ent-
stehungsort und Laurens Janszoon Coster für Jahrzehnte die Seele des Ganzen war. Nach
einem halben Jahrtausend können wir dies als Gewißheit buchen.

Es ist anzunehmen, daß zunächst Zeichner und Holzschneider eine Person waren, und daß
die Drucklegung in der gleichen Werkstätte erfolgte, wie das in der Natur solcher erster An-
fänge liegt. Sicher ist, daß den Blockbüchern historisch, technisch und qualitativ eine viel
wichtigere Stellung zuzuteilen ist, als bisher angenommen wurde. Was bedeutet allein, daß wir
in den beiden frühesten Büchern im ganzen 90 herrliche Holzschnitte aus der allerbesten Zeit
der frühholländischen Kunst besitzen! Inwieweit Ostasien bei der Erfindung des Drucks wie
des Papiers doch hereinspielte, muß erneut überprüft werden, wie es auch Aufgabe der Typo-
logen sein wird, zu untersuchen, inwieweit die Typographie aus den Blockbüchern herzuleiten
ist. Der kunsthistorische und stilkritische Tatbestand zwingt zu einer neuen Stellungnahme.

Folgt nun daraus, daß Coster der Erfinder des Holzschnittes oder des Blockbuches sei ? Die
erste Frage läßt sieh bestimmt verneinend beantworten. Es gibt, wie oben schon erwähnt,
Einblattdrucke,3 die unbedingt früher und nicht in Holland, sondern in Oberdeutschland
entstanden sind. Der schraffierte Buxheimer Christopherus von 1423 (Sehr. 1349) zeigt ge-
schnittenen Text wie das 1437 datierte Sebastiansmartyrium (Sehr. 1684) und die eher frü-
herere Kreuzigung (Sehr. 965), die beide in der Wiener Nationalbibliothek'1 aufbewahrt
werden, allein sie gehören bereits der zweiten Stufe. — Außerdem gibt es Blockbücher,
die eine Vorstufe zu dem Costerschen Typus darstellen, nämlich chiroxylographische Bücher,
bei denen der Text noch handschriftlich eingetragen ist. Wenn solche Bücher auch nicht
früher sein müssen — Blockbücher werden ja sogar auch mit handschriftlichem, wenn aueb

1 Vgl. dazu Dodgson, Catalogue I, S. 124 f.

2 Die Apokalypse, Berlin 1916, S. 24.

11 Schon das berühmte, schwer lokalisierbare „Bois Protat", das jetzt allgemein um 1400 datiert wird, aber
vielleicht für Stoffdruck gedient hat, zeigt geschnittene Schrift.

1 F. M. Haberditzl, Die Einblattdrucke des XV. Jahrhunderts in der Kupferstichsammlung in der Hof-
bibliothek zu Wien, Bd. I, 1920, Tafel XCVII und XXXV (vgl. Börner, a. a. O. S. 67).

7

51
 
Annotationen