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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 3.1938

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Holter, Kurt: Die Korczek-Bibel der Nationalbibliothek in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6338#0086
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KURT HOLTER / DIE KORCZEK-BIBEL DER NATIONAL-
BIBLIOTHEK IN WIEN

Am Ende des 14. Jahrhunderts, zu einer Zeit ohnmächtiger Schwäche des Reiches, steht in
Prag am Hofe des deutschen Königs Wenzel I. eine hohe deutsche Kultur in Blüte, für die als
Beispiele aus dem Gebiete der Buchmalerei hier nur die bekannte Willehalm-Handschrift, die
ebenso bekannte sechsbändige deutsche Bibelübersetzung und eine deutsche Ubersetzung der
Paulusbriefe genannt werden sollen. Es ist bisher noch nicht gesondert untersucht worden, ob
sich die damals in Prag vorhandenen politischen und die sich zur selben Zeit schon zuspitzenden
nationalen Gegensätze auch auf kulturellem Gebiet merkbar abgezeichnet haben. Es scheint
aber zum mindesten im 14. Jahrhundert nicht der Fall gewesen zu sein. Wenn dennoch ein
grundsätzlicher Unterschied zwischen der Wenzels-Werkstatt und der Miniaturenkunst des
frühen 15. Jahrhunderts besteht, so ist das wohl hauptsächlich auf das Wirken einer Künstler-
generation zurückzuführen, die durch ihren bedeutendsten Meister gekennzeichnet werden
kann, den Meister des Hasenburgischen Meßbuches von 1409.1

Der Weg dieses Meisters aus der Wenzels-Werkstatt heraus ist kürzlich von Jerchel2 dar-
gelegt worden, wodurch auch die Entstehung des Gegensatzes zwischen der höfischen Kunst
des späten 14. Jhs. und der hauptsächlich vom Adel und der hohen Geistlichkeit geförderten des
frühen 15. Jahrhunderts, vor dem Hussitensturm, im wesentlichen klar gestellt ist. Daß freilich
diese Wende keine schlagartige war und auch nicht haargenau um die Jahrhundertwende liegt,
daraufbraucht kaum hingewiesen zu werden. Für die gesamte Buchmalerei des südostdeutschen
Bereiches ist aber dieser Vorgang von großer Wichtigkeit und von bleibender Wirkung gewesen.
Auch für die tschechische Kunst gilt das, die freilich in der Hussitenzeit stagniert, verflacht
und um Stufen herabsinkt, wie hier nur im Vorübergehen an einigen Beispielen aus der Wiener
Nationalbibliothek angedeutet werden soll. Das bekannteste Beispiel ist die tschechische
Bibel des Philipp von Padefow, 1432—1435, cod. 1175, eine reichgeschmückte Handschrift, der
freilich die Originalität mangelt. Dasselbe gilt für die nicht weniger prächtige, aber unbeachtet
gebliebene lateinische Bibel, cod. 1181, die im Jahre 1443 von einem bürgerlichen Schreiber
Johannes, Sohn des Kürschners Zacharias, in der Neustadt von Prag vollendet worden ist.3
Ein Beispiel (Abb. 1, fol. 337v) kann hier die Versteifung des im übrigen zeitgebundenen Stils
beweisen und zeigt andererseits die Verknüpfung mit der Malweise des Nachfolgers des Hasen-
burg-Meisters im später ausführlicher zu besprechenden Prager Missale, cod. 1850 der National-
bibliothek.4 Die Nei gung zur Entwertung der menschlichen Gestalt und zur Hinausdrängung
der Figuren aus der Initiale an den Rand, die auch in dieser Handschrift schon auftritt, ist dann

1 Daß dieser Meister mit dem Schreiber dieser Handschrift, Laurin von Klattau, nicht identisch ist, braucht
heute nicht mehr bewiesen zu werden. Es genügt hier darauf hinzuweisen, daß sie kalligraphisch weitaus nicht
denselben Rang hat wie in ihren Miniaturen. Die jüngste Bibliographie dazu findet sich im Bulletin de la Societe
Franchise de Reproductions de Mss. ä Peintures, annee 1937, 1938, p. 92.

2 H. Jerchel, Das Hasenburgische Missale von 1409, die Wenzelswerkstatt und die Mettener Malereien von
1414 (Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, Bd. 4, Heft 4, 1937, S. 218—241).

,s Das Kolophon, fol. 408v, lautet: Explicit liber Biblie, Quem scripsit Johannes filius domini zacharie pelli-
ficis. Civis Nove civitatis Pragensis. Et p(er)ficit seu complevit feliciter. Anno domini Millesimo. Quadringe(n-
tesimo). Quadragesimo T(er)cio. Secunda feria p(ro)xima post festu(m). Epiphaniarum dom(in)i. P(ro) quo sit
benedictus deus gloriosus in secula seculorum Amen. Diese, wie die andern hier genannten Handschriften sind
beschrieben oder erstmals erwähnt im Bulletin de la Societe Franchise de Reproductions de Manuscrits ä Pein-
tures, vol. XXI, annee 1937, Partie IV, Mss. Allemands, von Kurt Holter und Karl Oettinger, wo auch Lite-
raturzitate angegeben sind.

4 Vgl. Abb. 7.

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