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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 4.1939

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Holzhausen, Walter: Die Rolle der Graphik im Werk Johann Melchior Dinglingers
DOI Artikel:
Simon, Karl: Unbekannte Radierungen von Jean Pierre Norblin
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https://doi.org/10.11588/diglit.6339#0119
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Auf Dinglingers zeichnerische Begabung hat erstmalig v. Arps-Aubert an Hand der Ent-
würfe für Ketten zum Polnischen Weißen Adler und für ein Tafelservice (Jagdservice), bzw.
einen Konfektaufsatz hingewiesen. Zu ersteren gehören zwei Blätter im Archiv des Grünen
Gewölbes, in dem sich auch die letzteren befinden.31 Es lag nahe, eine Ordenskette zum Polni-
schen Weißen Adler zu schaffen in derselben Art, wie es Ketten für die höchsten Insignien der
übrigen großen europäischen Orden gab. Dinglinger macht dazu auch eine notierte „Mündliche
Anmerckung bey denen 3. Deshins Zu einer Ordenskette".

In diesen Zeichnungen äußert sich die geistreiche Feinheit Dinglin gerscher Art eigentlich
nicht; es fehlt ihnen jene eigene Musikalität im dekorativen Spiel. Dagegen kommt diese in
einem Rahmenentwurf (Abb. 29) zur Geltung, der bis in Einzelheiten eine stilistische Verwandt-
schaft mit dem Rahmen von 1715 im Grünen Gewölbe aufweist. Hier stehen wir auf einiger-
maßen sicherem Boden. Welche Konsequenzen ergeben sich aber aus dieser Tatsache? Dieselbe
Präzision und derselbe Charme eines ornamentalen Kleinmeisters sprechen aus manchen der
sprühenden Entwurfszeichnungen in dem Archiv des Grünen Gewölbes. Sie sind, wie auch der
Rahmenentwurf, namenlos, aber sie sind untereinander über das Zeitstilistische hinaus ähn-
lich. Die Ähnlichkeit führt auch zu Entwürfen für die Saphirgarnitur Augusts des Starken. In
Dinglinger ihren Meister zu vermuten, wäre verlockend, aber die Gewißheit muß noch erbracht
werden. Und sollte nicht Dinglinger mit genialer Sicherheit den bezaubernden Entwurf für den
diamantenen Reiherstutz (Abb. 30) hingeschrieben haben, der sich heute noch dort unter den
Garnituren Augusts des Starken befindet?

31 Ihr Umschlag trägt die Notiz: dat. Dresden d. 21. Januar 1719.

KARL SIMON / UNBEKANNTE RADIERUNGEN VON JEAN PIERRE

NORBLIN

Rembrandts Ruhm und die Anteilnahme an seinem Schaffen sind nie erloschen, auch nicht
in Zeiten, die an sich seiner Art sehr fern standen, wie etwa im Rokoko.

Einer seiner bedingungslosesten Bewunderer und — Nachahmer ist Jean Pierre Norblin
(mit dem Zusatz: de la Gourdaine) gewesen, der besonders in seinen Radierungen ohne Rem-
brandt nicht zu denken ist.

Geboren am 15. Juli 1745 zu Misy-Faut-Yonne (Seine-et-Marne), wurde er Schüler von
Fr. Casanova in Paris und seit 1769 der Academie Royale, 1770/71 der Ecole Royale des
eleves proteges. 1772 trat er in die Dienste des Grafen Adam Czartoryski, mit dem er in den
nächsten Jahren sich in London, Spaa und Paris aufhielt. 1774 ging er mit ihm nach War-
schau und Pulawy an dessen Hof. Um 1790 ließ er sich in Warschau nieder und kehrte 1804
nach Frankreich zurück. Kurz vor seinem Tode (23. Februar 1830) lernte er noch Rom kennen.
Als Maler — er betätigte sich auch nicht selten als Wandmaler — pflegte er besonders das
Sittenbild und die Vedute, malte aber auch historische Darstellungen, Schlachtenbilder und
Bildnisse und wurde als Lehrer von Alexander Orlowski und M. Plonski für die Entwicklung
der polnischen Malerei von Bedeutung. Für seine Radierungen, die gleich nach seinem Tode
in Paris erschienen, ist der Aufenthalt in Polen richtunggebend geworden; hier sah er Typen,
wie sie Rembrandt im Amsterdamer Judenviertel zu Gebote standen. Die letzten Zuckungen
eines selbständigen polnischen Staatswesens und die schwierigen Übergänge zu einem Hinein-
wachsen in fremde Staaten waren begleitet von einem unbeschreiblichen Elend der Volks-

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