108 DIE HEILIGEN SCHRIFTEN DER BRAHMANEN
I und. 7 dem ursprünglichen Werke erst später angegliedert
worden sind und daß sich auch in den übrigen Büchern zahl-
reiche Zusätze finden. Daß die ursprüngliche Dichtung im
Laufe der Jahrhunderte mancherlei Veränderungen und Er-
weiterungen erfahren hat, begreift sich leicht: die Barden, die
sie aus dem Gedächtnis vortrugen und verbreiteten, hatten
das Bedürfnis, das ursprüngliche Werk durch Hinzufügung
kürzerer oder längerer Abschnitte zu verschönern oder zu
ergänzen, neue religiöse Anschauungen hineinzuarbeiten usw.
Wann der Text des heutigen Rämäyana im wesentlichen
abgeschlossen war, läßt sich schwer bestimmen. Wenn die
geographische Beschreibung IV, 40-43 mit ihren Erwähnun-
gen der Skythen, Tocharer usw. und der Insel Java als einer
der spätesten Einschübe des Epos betrachtet werden darf,
dann würde sich als Zeit des Abschlusses spätestens etwa das
2. Jahrhundert n. Ohr. ergeben, ein Termin, der auch aus
anderen Gründen wahrscheinlich ist. Wann der Kern des
großen Werkes von Välmiki gedichtet worden ist, bleibt
unsicher. H. Jacobi setzt die Entstehungszeit des Epos vor das
5., vielleicht in das 6. oder 8. Jahrhundert v. Ohr., A. B. Keith
hingegen zwischen 500 und 300 v. Chr.
Es unterhegt wohl keinem Zweifel, daß Välmiki die Räma-
legende nicht selbst erfunden hat, sondern älteren Vorstellun-
gen entnahm. Wahrscheinlich ist ein Lied von Rama schon
vor ihm von Spielleuten gesungen worden, und er hat den
Stoff zu einem einheitlichen Ganzen verarbeitet und ihm die
poetisch-abgeschliffene Form verliehen; möglicherweise ist
auch mancherlei, das schon eine feste Gestalt gewonnen hatte,
in sein Werk aufgenommen worden. Dürfen wir annehmen,
daß die Rämasage von jeher genau die Gestalt hatte, die Väl-
mikis Epos zeigt?
Rämalegenden sind in der ganzen indischen Welt verbrei-
tet, nicht nur bei den Anhängern der brahmanischen Lehren,
sondern auch bei Jainas und Buddhisten, nicht nur auf dem
weiten vorderindischen Kontinent, sondern auch in den fernen
Kolonialgebieten der indischen Kultur, in Hinterindien und
Indonesien. Bemerkenswert ist jedoch, daß sich in den einzel-
nen Fassungen sehr starke Differenzen finden. Diese betreffen
I und. 7 dem ursprünglichen Werke erst später angegliedert
worden sind und daß sich auch in den übrigen Büchern zahl-
reiche Zusätze finden. Daß die ursprüngliche Dichtung im
Laufe der Jahrhunderte mancherlei Veränderungen und Er-
weiterungen erfahren hat, begreift sich leicht: die Barden, die
sie aus dem Gedächtnis vortrugen und verbreiteten, hatten
das Bedürfnis, das ursprüngliche Werk durch Hinzufügung
kürzerer oder längerer Abschnitte zu verschönern oder zu
ergänzen, neue religiöse Anschauungen hineinzuarbeiten usw.
Wann der Text des heutigen Rämäyana im wesentlichen
abgeschlossen war, läßt sich schwer bestimmen. Wenn die
geographische Beschreibung IV, 40-43 mit ihren Erwähnun-
gen der Skythen, Tocharer usw. und der Insel Java als einer
der spätesten Einschübe des Epos betrachtet werden darf,
dann würde sich als Zeit des Abschlusses spätestens etwa das
2. Jahrhundert n. Ohr. ergeben, ein Termin, der auch aus
anderen Gründen wahrscheinlich ist. Wann der Kern des
großen Werkes von Välmiki gedichtet worden ist, bleibt
unsicher. H. Jacobi setzt die Entstehungszeit des Epos vor das
5., vielleicht in das 6. oder 8. Jahrhundert v. Ohr., A. B. Keith
hingegen zwischen 500 und 300 v. Chr.
Es unterhegt wohl keinem Zweifel, daß Välmiki die Räma-
legende nicht selbst erfunden hat, sondern älteren Vorstellun-
gen entnahm. Wahrscheinlich ist ein Lied von Rama schon
vor ihm von Spielleuten gesungen worden, und er hat den
Stoff zu einem einheitlichen Ganzen verarbeitet und ihm die
poetisch-abgeschliffene Form verliehen; möglicherweise ist
auch mancherlei, das schon eine feste Gestalt gewonnen hatte,
in sein Werk aufgenommen worden. Dürfen wir annehmen,
daß die Rämasage von jeher genau die Gestalt hatte, die Väl-
mikis Epos zeigt?
Rämalegenden sind in der ganzen indischen Welt verbrei-
tet, nicht nur bei den Anhängern der brahmanischen Lehren,
sondern auch bei Jainas und Buddhisten, nicht nur auf dem
weiten vorderindischen Kontinent, sondern auch in den fernen
Kolonialgebieten der indischen Kultur, in Hinterindien und
Indonesien. Bemerkenswert ist jedoch, daß sich in den einzel-
nen Fassungen sehr starke Differenzen finden. Diese betreffen