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LUKAS Cranach, Maler von Wittenberg, genoß durch mehr als drei
Jahrhunderte den unbestrittenen Ruhm, einer der führenden Mei-
ster deutscher Kunst zu heißen. In keiner der fürstlichen Sammlungen
und Kunstkammern fehlten seine Bilder, und neben den Namen Dürers
und Holbeins ward der seine der Nachwelt überliefert. Dürer, Holbein,
Cranach, so hieß das Dreigestirn, in dessen Zeichen allein von deutscher
Kunst gesprochen wurde, und wenn Dürer überall die größte Verehrung
galt, wenn Holbein als Meister von Weltruf und Mann der klassischen
Form die allgemeine Bewunderung genoß, so scheint es, daß für Cranachs
bald bizarre, bald anmutige Malerei etwas wie Liebe aufgespart blieb.

Das wurde anders, als im Laufe der letzten Jahrzehnte die zünftige
Kunstgeschichtschreibung sich der Denkmäler der Vergangenheit be-
mächtigte und daran ging, die überkommenen Urteile auf Grund der
allgemeinen Kunstanschauung der Zeit zu revidieren. Es zeigte sich, daß
die Werke Cranachs in ihrer Gesamtheit nur schwer dem unmittelbaren
Vergleich mit denen Dürers oder Holbeins standhielten. Denn während
deren Schaffen durchaus auf die persönliche Leistung gestellt war, schien
Cranachs Tätigkeit in der Arbeit eines ausgedehnten Werkstattbetriebes
aufzugehen, in dem es nirgends gelingen wollte, mit Sicherheit seine
eigene Hand zu erweisen. Dies aber ist die erste Forderung, die eine
individualistisch denkende Zeit an den Künstler stellen zu sollen meinte,
daß seine persönliche Handschrift in jedem Werke sich offenbare, das
Anspruch auf den Namen einer künstlerischen Schöpfung erheben durfte.

Es ist viel Scharfsinn darauf verwendet worden, unter den Werken,
die unverkennbar den Stempel des Cranachsch'en Stiles tragen, zwischen
mehr oder minder eigenhändigen, zwischen Werkstatterzeugnissen und
Schülerarbeiten zu unterscheiden, aber bleibt der Beurteiler ehrlich
sich selbst gegenüber, so muß er eingestehen, daß alle diese Differen-
zierungen letzten Endes nur auf die Feststellung verschiedener Grade
der Qualität hinauslaufen, indem die besten Leistungen dem Meister
selbst aufgespart und gradweise absteigend die Mitarbeit anderer Hände
vorausgesetzt wird.

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