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DIE äußeren Schicksale von Cranachs Lebenslauf sind in vielen Ur-
kunden und Zeugnissen seiner Zeitgenossen aufgezeichnet von dem
Tage, da er im Jahre 1505 in kursächsische Dienste trat, bis zu seinem
Tode im Jahre 1553. Aber so reich die Quellen fließen, die über diese
letzten fünf Jahrzehnte seines langen Lebens unterrichten, so tiefes
Dunkel breitet sich über die ersten dreißig Jahre von Cranachs Dasein.
Denn Lukas Cranach war kein Jüngling mehr, er war ein dreiunddreißig-
jähriger Mann, als er das Hofmaleramt in Wittenberg übernahm. Auch
die wenigen Frühwerke, die allmählich in den letzten Jahren aus der
Vergessenheit auftauchten und ihrem wahren Urheber zurückgegeben
wurden, sind die Schöpfungen eines dreißigjährigen Meisters. So fehlt von
Cranachs eigentlichen Jugendarbeiten auch heute noch jede Vorstellung
und mit ihr jede Möglichkeit, der Frage nach seiner künstlerischen Her-
kunft, seinem Lehrer, seinem Bildungsgang und der ersten Entwicklung
seines reichen Talentes eine bündige und befriedigende Antwort zu
finden.

Lukas Cranach ist im Jahre 1472 geboren, ein Jahr nur später als
Albrecht Dürer. Aber wenn die Werkstatt wohlbekannt ist, in welcher
der Nürnberger Meister groß wurde, wenn es möglich ist, ihm auf seiner
Wanderschaft nach dem Südwesten Deutschlands und nach Italien zu
folgen, und nach vereinzelten Talentproben des frühreifen Knaben
Hauptwerke, die schon während der neunziger Jahre entstanden, von
einer ersten Meisterschaft Zeugnis legen, so tastet die Forschung überall
noch im Dunkel, wo sie den Wegen und Werken Cranachs in dem ent-
scheidenden dritten Jahrzehnt seines Lebens nachzuspüren versucht. Es
nützt nicht viel, daß eine zeitgenössische Biographie die Nachricht ent-
hält, er habe von seinem Vater die erste Lehre empfangen. Denn es
fehlt jede Vorstellung von der Art dieses Mannes, dessen Name nicht
einmal feststeht, da „Cranach" nur den Geburtsort des Lukas bezeichnet,
das damals bischöflich-bambergische Städtchen Kronach im fränkischen
Lande. Aus der Lage des Ortes läßt sich nur so viel erschließen, daß
Cranach im oberdeutschen Kunstkreise und insbesondere innerhalb der
 
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