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IM Jahre 1504 wurde Lukas Cranach von Kurfürst Friedrich dem
Weisen nach Wittenberg berufen. Die Tatsache allein, daß der Kur-
fürst, der bemüht war, eine Anzahl der besten Männer seiner Zeit
in seiner Nähe zu versammeln, ihn von weither nach Wittenberg
kommen ließ, ist ein neuer Beweis dafür, daß Cranach schon damals ein
geschätzter und bekannter Meister gewesen sein muß. Er war ein Mann
in gesetzten Jahren und seit einiger Zeit bereits verheiratet. Er hatte
eine Frau aus einer in Gotha angesehenen Familie heimgeführt und
besaß dort ein Haus, das ihm wahrscheinlich als Mitgift zugefallen
war. Zwei Söhne und^ drei Töchter gingen im Lauf der Jahre aus
Cranachs Ehe mit Barbara Brengbier hervor.

Aus weiter Ferne war der Ruf von Cranachs Kunst bis in die säch-
sischen Lande gedrungen. Cranach muß sich, als der Antrag des Kur-
fürsten an ihn erging, noch in oberdeutschem Gebiet aufgehalten haben,
denn es heißt an der Stelle, an der von seiner Berufung die Rede ist: „nach
dem bayrischen Krieg", und das ist wohl nicht anders zu verstehen, als
daß erst nach Abschluß der kriegerischen Ereignisse dort seine Reise
möglich wurde. Im Frühjahr des Jahres 1505 scheint er in Wittenberg
eingetroffen zu sein.

Die sächsische Hauptstadt muß einem Oberdeutschen damals als ein
recht weltentlegener Ort erschienen sein, und es war ganz gewiß für
Cranach kein leichter Entschluß, dem Rufe Folge zu leisten und aus
den reicheren Gegenden, in denen er heimisch war, gleichsam bis an die
äußersten Grenzen der Zivilisation zu ziehen. Aber es mochte ihn zu-
gleich doch reizen, auf jungfräulichem Boden zu stehen, wo eine Fülle
neuer Aufgaben ihn lockte und das Interesse eines kunstbegeisterten
Fürsten seinem Talente freie Entfaltung verbürgte.

Es sind von einer Wittenberger Kunst vor Cranachs Eintreffen kaum
Spuren erhalten geblieben, aber man darf sich darum keineswegs vor-
stellen, er sei der erste Maler gewesen, der in die Residenzstadt des Kur-
fürsten gelangte. Vielmehr war hier schon seit Jahren, schon seit dem
Regierungsantritt Friedrichs des Weisen, eine vielgestaltige künstlerische

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