DIE KUNST DER SPÄTEN T’ANG-ZEIT IN CHINA
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DIE KUNST DER SPÄTEN T’ANG-ZEIT
IN CHINA
Für die Erkenntnis der künstlerischen Auswirkungen des neuen religiösen
Geistes im Osten selbst wie der Möglichkeiten, die sich aus den wieder ein-
setzenden Beziehungen der späteren T’angzeit zu dem südlichen Indien ergeben
mochten, fehlt es in China bislang an jedem zuverlässigen Denkmälermaterial.
Man weiß nicht, zu welcher Zeit und an welcher Stelle zuerst der Um-
schwung sich vollzogen hat, aber man meint etwas von dem anderen Geiste
schon in den schönen Steinreliefs von Pao-ch’ing-ssü (73—76) zu verspüren,
die im Anfang des 8. Jahrhunderts entstanden sind. Hier bereits scheint
jene Erstarrung der Form einzusetzen, die vermenschlichte Gottheiten in hie-
ratische Symbole zurückverwandelt. Lebendige Entwicklung hat ihr Ende
gefunden. Es kündet sich jene Epoche voraus, die von den alten Schrift-
stellern als eine Zeit beginnendenVerfalls nach höchsterBlüte geschildert wird.
Wieder tritt für das im Mutterland Verlorene Japans Denkmälerbestand
ein mit einer kleinen Zahl plastischer Kunstwerke, deren Herkunft von der
Tradition nach China und darüber hinaus zum Teil — allerdings mit zweifel-
hafterem Rechte — nach Indien verlegt wird. Sie allein sind der Bestimmung
der Stilform einer wichtigen Epoche chinesischer Geschichte zugrunde zu legen.
Wie es im Zusammenhang der religiösen Entwicklung in der Tat nicht
anders zu erwarten, erreicht die allgemeine Tendenz auf Vermenschlichung
der göttlichen Erscheinung, die sich in der offenkundigen Annäherung der
buddhistischenTempelplastik an die nationale bildnerische Tradition des Ostens
ausgewirkt hatte, nun ihr Ende, da in auffälligem Gegensatz göttliche Un-
nahbarkeit wieder in feierlich hieratischer Strenge ihren Ausdruck findet.
Entzieht sich die Tradition, derzufolge das Makura-honzon des Kongöbuji
(127), das Köbö Daishi selbst besessen haben soll, aus Indien stammt, auch
mangels zureichender Vergleichsstücke jeder stilkritischen Nachprüfung, so
bleibt das kleine Reisealtärchen immerhin fremdartig genug in seiner Umge-
bung, um den Hinweis als Wegweiser wenigstens gelten zu lassen, der durch
die religionsgeschichtliche Überlieferung seine Bestätigung erfährt. Auch das
Wiederaufkommen von Holz als gebräuchlichstem Bildstoff buddhistischer
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DIE KUNST DER SPÄTEN T’ANG-ZEIT
IN CHINA
Für die Erkenntnis der künstlerischen Auswirkungen des neuen religiösen
Geistes im Osten selbst wie der Möglichkeiten, die sich aus den wieder ein-
setzenden Beziehungen der späteren T’angzeit zu dem südlichen Indien ergeben
mochten, fehlt es in China bislang an jedem zuverlässigen Denkmälermaterial.
Man weiß nicht, zu welcher Zeit und an welcher Stelle zuerst der Um-
schwung sich vollzogen hat, aber man meint etwas von dem anderen Geiste
schon in den schönen Steinreliefs von Pao-ch’ing-ssü (73—76) zu verspüren,
die im Anfang des 8. Jahrhunderts entstanden sind. Hier bereits scheint
jene Erstarrung der Form einzusetzen, die vermenschlichte Gottheiten in hie-
ratische Symbole zurückverwandelt. Lebendige Entwicklung hat ihr Ende
gefunden. Es kündet sich jene Epoche voraus, die von den alten Schrift-
stellern als eine Zeit beginnendenVerfalls nach höchsterBlüte geschildert wird.
Wieder tritt für das im Mutterland Verlorene Japans Denkmälerbestand
ein mit einer kleinen Zahl plastischer Kunstwerke, deren Herkunft von der
Tradition nach China und darüber hinaus zum Teil — allerdings mit zweifel-
hafterem Rechte — nach Indien verlegt wird. Sie allein sind der Bestimmung
der Stilform einer wichtigen Epoche chinesischer Geschichte zugrunde zu legen.
Wie es im Zusammenhang der religiösen Entwicklung in der Tat nicht
anders zu erwarten, erreicht die allgemeine Tendenz auf Vermenschlichung
der göttlichen Erscheinung, die sich in der offenkundigen Annäherung der
buddhistischenTempelplastik an die nationale bildnerische Tradition des Ostens
ausgewirkt hatte, nun ihr Ende, da in auffälligem Gegensatz göttliche Un-
nahbarkeit wieder in feierlich hieratischer Strenge ihren Ausdruck findet.
Entzieht sich die Tradition, derzufolge das Makura-honzon des Kongöbuji
(127), das Köbö Daishi selbst besessen haben soll, aus Indien stammt, auch
mangels zureichender Vergleichsstücke jeder stilkritischen Nachprüfung, so
bleibt das kleine Reisealtärchen immerhin fremdartig genug in seiner Umge-
bung, um den Hinweis als Wegweiser wenigstens gelten zu lassen, der durch
die religionsgeschichtliche Überlieferung seine Bestätigung erfährt. Auch das
Wiederaufkommen von Holz als gebräuchlichstem Bildstoff buddhistischer