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Glaser, Curt; Cohn, William [Editor]
Die Kunst des Ostens (Band 11): Ostasiatische Plastik — Berlin: Bruno Cassirer Verlag, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.53084#0081
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DIE KUNST DER SUNG-ZEIT IN CHINA

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DIE KUNST DER SUNG-ZEIT IN CHINA
Die Geschichte der chinesischen Plastik in den Epochen nach dem Zeitalter
der großen Höhlentempel wäre ein einziges Fragezeichen, wenn nicht
die Lücken unseres Wissens durch die Kenntnis der in Japan überlieferten
Tempelschätze wenigstens an einigen Stellen gefüllt würden. Erwies sich der
chinesische Boden vergleichsweise ergiebig für die älteren Epochen der Ge-
schichte, so ist für die Zeit seit der mittleren T’angdynastie — bis auf die Reste
späterer Kaisergräber — kaum mehr ein sicher datierbares und zugleich für
die Erkenntnis der Stilentwicklung wirklich aufschlußreiches Denkmal zutage
gekommen. Man weiß nicht, wie die künstlerisch hochbedeutende Epoche der
Sungdynastie, von deren Malerei wir eine sehr lebhafte Vorstellung besitzen,
sich im Bereiche der Plastik schöpferisch geäußert hat, — man wüßte es nicht,
wenn nicht wiederum von Japan her ein Lichtstrahl aufhellend das Dunkel
der chinesischen Kunstgeschichte erleuchtete.
Die Überlieferung berichtet, daß zu den Wiederherstellungsarbeiten an
demTödaiji, der während der Geschlechterfehden der späteren Fujiwarazeit,
in die auch die Klöster kriegerisch eingriffen, arge Zerstörungen erlitten hatte,
Meister aus China berufen wurden, wie einst in der Tempyözeit chinesische
Bildhauer den Statuenschmuck des Töshödaiji besorgt hatten. „Im 7. Jahre
Kenkyü (1196)“, heißt es, „kamen Sungbildhauer, unter ihnen Tzü Liu-lang,
machten die Steinlöwen für das Mitteltor, außerdem Statuen von Begleit-
gottheiten und vier Devas. Um diese Steinwerke zu arbeiten, wurde Stein von
China eingeführt, da kein brauchbares Material in Japan zu beschaffen war.“
Auch der Name eines Bronzegießers Ch’en Ho-ch’ing und seines Bruders
Ch’en Fo-shou ist überliefert. Von ihren Werken allerdings blieb nichts erhalten
als die zwei steinernen Löwen am Nandaimon des Tödaiji, die als Aussage
über den Stil ihrer Kunst wenig Bedeutung besitzen.
Wichtig genug aber ist die Tatsache, daß nach der Abschließungspolitik
der Fujiwarazeit, die mit einer betonten Abkehr von China einsetzte, eines der
ersten historischen Daten der Kamakurazeit diese Berufung chinesischer Bild-
hauer ist, die sicherlich nicht erfolgt wäre, wenn nicht die Kunst der Chinesen
den immer lernbegierigen Japanern etwas grundsätzlich Neues zu bieten gehabt
 
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