DER AUSGLEICH IM FRÜHEN BYZANZ
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dieses fast körperlos Überragende betont durch den kleinen schmächtigen Kopf,
der mit seinem Nimbus zwischen den nach unten drückenden dunklen Dreiecks-
zwickeln zu Seiten der Stifterköpfe herausragt. Das starre Gerüst der Lot- und
Wagrechten bindet im Gesamtaufbau die durchgehenden rhythmischen Linien-
züge, Strenge durchsetzt die melodische Freiheit, repräsentative Starrheit und
individuelle Charakteristik durchdringen einander.
Nicht minder als im Mosaikschmucke der Kirchengebäude setzt sich der
repräsentative Stil in der Kleinkunst durch. Da ist es vor allem das Elfenbein, das
schon als Material östlicher Herkunft in besonderem Maße dem vomOsten durch-
setzten Machtgedanken diente. Der schon von den heidnischen Konsulen gepflo-
gene Brauch, am Tage ihres Regierungsantrittes elfenbeinerne Schreibtäfelchen
(Diptychen) zu widmen, wurde unter den christlichen Kaisern fortgesetzt. Die
Darstellungen zeigen den Gewählten auf dem Richterstuhle, dann auch den Zirkus-
spielen zusehend, einer in Byzanz höchst offiziell gewordenen Handlung (Tafel53).
Die Darstellungsweise ist dabei ebenfalls zu jener flächenfüllenden, das räum-
liche Hintereinander vermeidenden Art übergegangen, die im Osten Ausdruck
einer unsinnlichen Weltanschauung, hier aber in ihrem Ausgleich mit dem Westen
zum dekorativen Reiz geworden ist. Unbekümmert um ein Vorne und Hinten
sind die Figuren über die Fläche verteilt, ja die Szenen des Vordergrundes (unten)
erscheinen in einer Art „umgekehrter" Perspektive verkleinert wie von dem
Standpunkte der groß dargestellten Hauptperson gesehen. Ein anderes Dipty-
chon mit der Darstellung einer Kaiserin (Tafel 54) läßt den dekorativ-repräsenta-
tiven Stil in seiner vollen Reife erscheinen. Hier hat die Figur wohl die demWesten
entsprechende plastisch körperliche Durchbildung beibehalten, durch die Um-
setzung des umgebenden Raumes in abstraktes Tiefendunkel wird sie aber mit
all ihren Details zum flächenhaften, als Hell vom Dunkel sich abhebenden Muster,
dem so alle Körperlichkeit genommen ist. Ins Religiöse umgesetzt, sehen wir
andererseits die thronende Mutter Gottes (Tafel 55) in ähnlicher, wenn auch noch
stärker plastisch gedachter Art von den drei Magiern und dem assistierenden
Engel umgeben.
Bei all diesen repräsentativen Figuren läßt der Zug zum Dekorativen das
Individuelle der dargestellten Gestalten freilich oft genug zurücktreten, doch
geht das Vermögen scharfer Charakterisierung keineswegs verloren. So zeigt
das Hauptwerk christlicher Elfenbeinkunst, der Thronstuhl des Bischofs Maximian
in Ravenna (Tafel 56), an der Vorderwand sowohl in den markanten Gestalten
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dieses fast körperlos Überragende betont durch den kleinen schmächtigen Kopf,
der mit seinem Nimbus zwischen den nach unten drückenden dunklen Dreiecks-
zwickeln zu Seiten der Stifterköpfe herausragt. Das starre Gerüst der Lot- und
Wagrechten bindet im Gesamtaufbau die durchgehenden rhythmischen Linien-
züge, Strenge durchsetzt die melodische Freiheit, repräsentative Starrheit und
individuelle Charakteristik durchdringen einander.
Nicht minder als im Mosaikschmucke der Kirchengebäude setzt sich der
repräsentative Stil in der Kleinkunst durch. Da ist es vor allem das Elfenbein, das
schon als Material östlicher Herkunft in besonderem Maße dem vomOsten durch-
setzten Machtgedanken diente. Der schon von den heidnischen Konsulen gepflo-
gene Brauch, am Tage ihres Regierungsantrittes elfenbeinerne Schreibtäfelchen
(Diptychen) zu widmen, wurde unter den christlichen Kaisern fortgesetzt. Die
Darstellungen zeigen den Gewählten auf dem Richterstuhle, dann auch den Zirkus-
spielen zusehend, einer in Byzanz höchst offiziell gewordenen Handlung (Tafel53).
Die Darstellungsweise ist dabei ebenfalls zu jener flächenfüllenden, das räum-
liche Hintereinander vermeidenden Art übergegangen, die im Osten Ausdruck
einer unsinnlichen Weltanschauung, hier aber in ihrem Ausgleich mit dem Westen
zum dekorativen Reiz geworden ist. Unbekümmert um ein Vorne und Hinten
sind die Figuren über die Fläche verteilt, ja die Szenen des Vordergrundes (unten)
erscheinen in einer Art „umgekehrter" Perspektive verkleinert wie von dem
Standpunkte der groß dargestellten Hauptperson gesehen. Ein anderes Dipty-
chon mit der Darstellung einer Kaiserin (Tafel 54) läßt den dekorativ-repräsenta-
tiven Stil in seiner vollen Reife erscheinen. Hier hat die Figur wohl die demWesten
entsprechende plastisch körperliche Durchbildung beibehalten, durch die Um-
setzung des umgebenden Raumes in abstraktes Tiefendunkel wird sie aber mit
all ihren Details zum flächenhaften, als Hell vom Dunkel sich abhebenden Muster,
dem so alle Körperlichkeit genommen ist. Ins Religiöse umgesetzt, sehen wir
andererseits die thronende Mutter Gottes (Tafel 55) in ähnlicher, wenn auch noch
stärker plastisch gedachter Art von den drei Magiern und dem assistierenden
Engel umgeben.
Bei all diesen repräsentativen Figuren läßt der Zug zum Dekorativen das
Individuelle der dargestellten Gestalten freilich oft genug zurücktreten, doch
geht das Vermögen scharfer Charakterisierung keineswegs verloren. So zeigt
das Hauptwerk christlicher Elfenbeinkunst, der Thronstuhl des Bischofs Maximian
in Ravenna (Tafel 56), an der Vorderwand sowohl in den markanten Gestalten