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DER KAMPF MIT DEM WESTEN


Abb. 2. Koptische Wasserspeier und Kragsteine
5.—6. Jahrhundert
Kairo, ägypt. Museum

Erneuerung und Ver-
gänglichkeit in den
christlichenBilderschatz
aufgenommen (Wein-
lese). Dem christlichen
Osten ist die Gestalt —
sei sie aus den darstel-
lenden Kunstkreisen
des Ostens selbst oder
vomWesten entlehnt-
nie (angestrebte) Wirk-
lichkeit, immer nur Zei-
chen. Darum strebt er
nicht nach individueller
Charakterisierung des
Dargestellten,noch aber
ist es ihm um die auf
die Sinne wirkende
Schönheit der Erschei-
nung zu tun. Mensch-
liche, tierische oder
pflanzliche Gestalt ist
ihm nicht das aus der
Umwelt herausgehobe-
neAbbild eines bewußt

gewordenen organischen Zusammenhanges, nicht erkenntnismäßige Wiedergabe
eines Gesehenen. Aber es ist das Wesentliche mit ungestümer Naturkraft erfaßt
und voll anschaulich gemacht. Die koptische Darstellung eines Löwenkopfes
(Abb. 2) ist nicht aus dem eine objektiv gültige Gestalt festlegenden Wissen
um Anatomie und äußere Erscheinung geboren, sondern aus dem unmittelbaren
Erleben, bei dem einem Bildner dieses, dem andern jenes Moment das Wesent-
lichste für die Vorstellung scheint. Sei es der gefährliche, zahnbewehrte Rachen
(Abb. 2a), die sprungbereite Stellung und die gewaltige Mähne über dem stirn-
losen Gesicht (Abb. 2b), oder die bannend lauernden Augen (Abb. 2c): die
Mittel mögen noch so „primitiv" sein, aber um so stärker ist der Ausdruck.
 
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