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DER AUSGLEICH IM FRÜHEN BYZANZ

Nachtdunkels, in dessen schwarzem Streifen nur das abstrakte Gold des Nimbus
und Goldmantels Christi aufleuchtet, und über dem in blauem Band der Mond
und die Sterne wiederum nur den Ausgleich zwischen einem persönlichen Stim-
mungsgehalt und ewiger Ordnung herbeiführen.
In solchen Werken halten sich Ost und West die Wage. Die zerfallende
Zivilisation, die an dem Schein der Materie ihr Erlebnis fand, lieh zwar das
nötige darstellerische Werkzeug, wo aber der Ostgeist stark genug war, den
äußeren Schein mit dem inneren Sinn zu durchdringen, erstand aus dem
Kampfe und seinen vielfältigen Erscheinungsformen ein starkes Neues, das aus
vorübergehenden, schwankenden Versuchen nur dann zum Dauernden werden
konnte, wenn die widerstreitenden Naturen unter ein neues ausgleichendes
Gesetz gezwungen wurden, das das innere und äußere Leben umfaßte.
DER AUSGLEICH IM FRÜHEN BYZANZ
PERSÖNLICHKEIT UND GLAUBE
Dem Zerfall der westlichen Zivilisation stand der Aufbau der östlichen Kultur
gegenüber. Das Christentum bildete den Ausgleich und brachte diesen
in der Kunst zur Erscheinung. Solange die antike Zivilisation durch ihre
Organisation der volkstümlichen Urkraft des Ostens die Wage halten konnte,
bedeutete dieser Ausgleich zähen Kampf, der einerseits tiefgreifend Neues schuf,
andererseits aber ein seichtes Spiel großstädtischer Oberflächlichkeit, das nur
mit fremden Kultur und Kunstgütern die eigene Leere verschleiern wollte.
Der Verfall der Zivilisation trat innerhalb des Mittelmeeres zuerst im
äußersten Westen in Erscheinung. Mit Kaiser Konstantin d. Gr. wurde Rom als
Reichszentrum aufgegeben, und bald fiel der Westen dem Ansturm von Fremd-
völkern anheim. Die Verlegung der Residenz nach Byzanz und die Verbindung
des Christentums mit dem römischen Staatsgedanken durch seine Anerkennung als
Staatsreligion war bereits ein Schritt, mit dem die kulturelle Aufgabe des Ostens
innerhalb der Antike offiziell anerkannt und besiegelt war. Sofern das Christen-
tum selbst bereits ein Kompromiß zwischen Osten und Westen war, konnte dadurch
eine Stärkung des antiken Gedankens stattfinden, und zugleich zog die neue
Hauptstadt die zivilisatorischen Kräfte Roms und der hellenistischen Großstädte
allmählich an sich, so daß die Antike — durch die Konzentration der Kräfte in
ihrer Energie gesteigert — ein Fortleben zu führen vermochte, das im Zeitalter
 
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