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Glück, Heinrich; Cohn, William [Editor]
Die Kunst des Ostens (Band 8): Die christliche Kunst des Ostens — Berlin: Cassirer, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.73316#0042
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DER AUSGLEICH IM FRÜHEN BYZANZ

zu einer kubisch abstrakten Werkform, die Einrollungen sind nicht mehr Kräfte-
ausdruck, sondern schmückende Beigabe, der aufwachsende Blattkranz des
antiken Kapitells wird aber zum unkörperlichen, im Tiefendunkel wirksamen
Flächenschmuck, in dem das Vegetabile zu einem verkleidenden Muster, in geo-
metrische Folgen gebannt, oder überhaupt durch ein geometrisches System er-
setzt wird (vgl. Tafel 15).
Diesem 532—537 errichteten Wunderbau der kleinasiatischen Architekten
Isidorus von Milet und Anthemios von Tralles stand noch manches Werk der
Blütezeit unter Justinian in Konstantinopel selbst und in anderen Städten zur
Seite und war Zeugnis jenes Geistes, der durch organisierte Pracht und Größe
selbst geistige Gegensätze zu einer Einheit band. Neben dem großen, von
Konstantin begonnenen Kaiserpalast und der Apostelkirche sind viele andere
weltliche und sakrale Bauten, von deren Pracht uns berichtet wird, verschwunden,
oder sie liegen in Ruinen. Neben riesigen unterirdischen Zisternenbauten, deren
reicher Säulen- und Kapitellschmuck die Formen der verschiedensten Provinzen
vereinigt, neben der trotz mehrfacher Änderung und Beraubung ihres Schmuckes
immer noch großzügig wirkenden Irenenkirche sei die als ein in Raumbildung
und Detail eine ähnliche Verschmelzung westlicher und östlicher Kunstprinzipien
wie in der Sophienkirche aufweisende Sergius- und Bacchuskirche in Konstanti-
nopel erwähnt.
Die ganze Pracht der frühbyzantinischen Blütezeit ist aber bis heute am
besten in Ravenna vereinigt, das wir bereits — seiner Lage entsprechend —
als einen für die Aufnahme östlicher Geistigkeit besonders geeigneten Boden
erkannt haben, und in dem auch das byzantinische Machtchristentum eines
seiner bedeutendsten Kunstzentren geschaffen hatte. Das Hauptwerk ist hier
die in ihrer reichen, auf dem Achteck gegründeten Raumgestaltung an die
Sergius- und Bacchuskirche anklingende Gründung des Erzbischofs Ecclesius,
San Vitale (525—547). Wie in den Konstantinopler Bauten fällt auch hier ent-
gegen dem antiken Brauche die unscheinbare, schmucklose Art des Äußeren
gegenüber der Pracht des Inneren (Tafel 41) auf. Auch hier die eigentümliche
Spannung zwischen der Zentral- und der durch die schiffartige Verlängerung
des Presbyteriums betonten Längsidee, zwischen der die wirkenden Kräfte nicht
in ein System von Einzelgliedern zerlegenden Verwendung der Rundform, wie
Bogen, Wölbung und Exedren, und der antiken Stützenarchitektur. Daneben
blieb hier und in den adriatischen Küstengebieten, wie in Parenzo (Tafel 42)
 
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