DER AUSGLEICH IM FRÜHEN BYZANZ
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übersinnlicher Kultur wie im Leben so auch künstlerisch ineinandergedrungen.
Die strenge Regel des persischen Hofzeremoniells, durch die sich selbst der
Herrscher einem freiwilligen Zwange unterwirft, ist für den Künstler nicht bloß
äußerer Anlaß einer Schilderung, sondern eigenes Erlebnis, indem er eigenes
Streben nach persönlichem Ausdruck der gebundenen Form zu unterstellen hat.
Jede dieser Gestalten ist in ihrem markanten Ausdruck erfaßt, der Kaiser selbst
(Tafel 48) mit den gekniffenen Lippen und den streng geschwungenen Brauen Ziel-
bewußtheit und Willenskraft in den Zügen, rechts der ihn geleitende Erzbischof
Maximianus mit dem geistreichen Kopf des hohen Klerikers das Prozessionskreuz
tragend, neben dem die rechts ihn begleitenden Diakone mit Evangelium und
Rauchfaß die mit Amt und Alter allmählich sich ausprägende Persönlichkeit er-
kennen lassen; zunächst neben dem Kaiser die durch die Kleidung und Aufschläge
gekennzeichneten weltlichen Höflinge, strenge, befehlsgewohnte Männer, auch
da der amtsjüngere mit dem Ausdruck des noch unerfahrenen Protektionskindes.
Ganz links schließlich die gehaltlosen Gesichter der Leibwache. Auf dem anderen
Bilde (Tafel 49) die Kaiserin mit dem schlaffen aber gebietenden Gesicht, ehe-
malige Zirkusdirne, jetzt Herrscherin im persischen Perlenornat, rechts die
matronenhafte Obersthofmeisterin und das Gefolge der Hofdamen, links der
Kämmerer, dem man den Anteil an den verschwiegenen Intrigen dieses Hofes
aus den Zügen liest, mit dem den Vorhang zurückschlagenden Untergebenen.
All diese Unterschiedlichkeit der Charaktere ist aber doch nicht als ein unver-
bundenes Nebeneinander von Einzelheiten zu fühlen: Wie sie alle der einende
Geist strenger Hofzucht bindet, so ist durch ihre gleichmäßig frontale Anein-
anderreihung, in der kein Kopf den anderen überragt und doch durch den
größeren oder geringeren Abstand der höheren Würdenträger, durch die verein-
heitlichende Massengruppierung des niedrigeren Gefolges die Differenzierung
ersichtlich gemacht wird, auch formal ihre geordnete Zusammengehörigkeit zum
Ausdruck gebracht. Nicht weniger bezeichnend ist es, wie der Künstler die
gegen dieAltarnische der Kirche sich vollziehende Bewegung der beidenAufzüge
nicht in einem naturalistisch gesehenen Hintereinanderschreiten der Personen
wiedergibt, sondern diese Bewegung teils rein begrifflich ausdrückt — so
durch das seitliche Vorhalten der getragenen Gegenstände, durch den den Vor-
hang zurückschiebenden Diener und den über den Bildrand greifenden Kleriker
mit dem Rauchfaß —, teils formal durch die Auflockerung der einseitig gestauten
Masse in der Richtung der anzudeutenden Bewegung. Durch solche Mittel gelingt
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übersinnlicher Kultur wie im Leben so auch künstlerisch ineinandergedrungen.
Die strenge Regel des persischen Hofzeremoniells, durch die sich selbst der
Herrscher einem freiwilligen Zwange unterwirft, ist für den Künstler nicht bloß
äußerer Anlaß einer Schilderung, sondern eigenes Erlebnis, indem er eigenes
Streben nach persönlichem Ausdruck der gebundenen Form zu unterstellen hat.
Jede dieser Gestalten ist in ihrem markanten Ausdruck erfaßt, der Kaiser selbst
(Tafel 48) mit den gekniffenen Lippen und den streng geschwungenen Brauen Ziel-
bewußtheit und Willenskraft in den Zügen, rechts der ihn geleitende Erzbischof
Maximianus mit dem geistreichen Kopf des hohen Klerikers das Prozessionskreuz
tragend, neben dem die rechts ihn begleitenden Diakone mit Evangelium und
Rauchfaß die mit Amt und Alter allmählich sich ausprägende Persönlichkeit er-
kennen lassen; zunächst neben dem Kaiser die durch die Kleidung und Aufschläge
gekennzeichneten weltlichen Höflinge, strenge, befehlsgewohnte Männer, auch
da der amtsjüngere mit dem Ausdruck des noch unerfahrenen Protektionskindes.
Ganz links schließlich die gehaltlosen Gesichter der Leibwache. Auf dem anderen
Bilde (Tafel 49) die Kaiserin mit dem schlaffen aber gebietenden Gesicht, ehe-
malige Zirkusdirne, jetzt Herrscherin im persischen Perlenornat, rechts die
matronenhafte Obersthofmeisterin und das Gefolge der Hofdamen, links der
Kämmerer, dem man den Anteil an den verschwiegenen Intrigen dieses Hofes
aus den Zügen liest, mit dem den Vorhang zurückschlagenden Untergebenen.
All diese Unterschiedlichkeit der Charaktere ist aber doch nicht als ein unver-
bundenes Nebeneinander von Einzelheiten zu fühlen: Wie sie alle der einende
Geist strenger Hofzucht bindet, so ist durch ihre gleichmäßig frontale Anein-
anderreihung, in der kein Kopf den anderen überragt und doch durch den
größeren oder geringeren Abstand der höheren Würdenträger, durch die verein-
heitlichende Massengruppierung des niedrigeren Gefolges die Differenzierung
ersichtlich gemacht wird, auch formal ihre geordnete Zusammengehörigkeit zum
Ausdruck gebracht. Nicht weniger bezeichnend ist es, wie der Künstler die
gegen dieAltarnische der Kirche sich vollziehende Bewegung der beidenAufzüge
nicht in einem naturalistisch gesehenen Hintereinanderschreiten der Personen
wiedergibt, sondern diese Bewegung teils rein begrifflich ausdrückt — so
durch das seitliche Vorhalten der getragenen Gegenstände, durch den den Vor-
hang zurückschiebenden Diener und den über den Bildrand greifenden Kleriker
mit dem Rauchfaß —, teils formal durch die Auflockerung der einseitig gestauten
Masse in der Richtung der anzudeutenden Bewegung. Durch solche Mittel gelingt