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BILDERSTURM, ISLAM UND ARMENIEN

des Täufers und der vier Evangelisten wie in der freien Führung der von Tieren
belebten Weinranken noch stark die Mittel des naturalistischen Westens, wenn-
gleich die strenge untektonische Aufteilung, das Prinzip der Flächenfüllung, wie
auch die gegenständlichen, gestaltlichen und formalen Einzelheiten der Reliefs
der übrigen Seiten den östlichen Geist verraten.
Ein Blick sei noch auf die statuarische Großplastik dieser Zeit geworfen,
welche als die körperhafter Gestaltung am meisten entsprechende Kunstgattung
immer mehr zurückzutreten beginnt. Bezeichnend ist bei der Zunahme des
orientalischen Ewigkeitsgedankens die Vorliebe für das besonders harte Material
des ägyptischen Porphyrs (Tafel 33, vgl. 31, 32). Trotz der schweren Bearbeitbar-
keit des Steines ist aber auch hier die scharfe porträtmäßige Charakterisierung
bemerkenswert. Die plastisch formale Behandlung ist dabei der Wirkung des an
sich wuchtigen krystallinischen Materials angepaßt. Mit der scharfen, oft —
wie bei Nase und Haaren — kubisch kantigen Bildung der Einzelformen wirkt
der Glanz polierter Flächen zu einem Effekt zusammen, in dem anatomische
Tatsächlichkeit in die abstrakten Formen geometrischer Umrisse gezwungen ist.
So ist auch Haarschmuck und Krone zu einer wuchtigen Massenwirkung ausge-
wertet. Wo aber — wie bei weiblichen Köpfen (vgl. Tafeln 54, 55) — die Schärfe
der Gesichtszüge weniger in Betracht kommt, überwiegt die große einfache
Form, und der Ausdruck wird in die übertrieben groß gebildeten Augen gelegt.
So dringt auch hier individualisierender Westen und abstrahierender Osten
ineinander und ergeben einen Stil, der in seiner Monumentalität den Prinzipien
einer Weltanschauung entspricht, in der überirdische und persönliche Macht sich
zum Gesetze vereinen.
BILDERSTURM, ISLAM UND ARMENIEN
DIE RENAISSANCE DES OSTENS
Die frühbyzantinische Kunst bedeutete den Ausgleich zwischen West und Ost,
den Ausgleich des Kampfes zwischen materieller Kultur und übersinnlich
gerichteter religiöser Geistigkeit. Dieser Ausgleich war noch kein Sieg der ab-
strakten Gottesidee des Ostens. In westliche Bildhaftigkeit gezwungen war die
Idee nicht mehr frei und das Ineinanderdringen der Extreme ergab auf neuem
indifferenten Boden eine großartige Zwitterkunst. Soferne aber der Westen er-
lahmte und in den Stürmen der Völkerwanderung seine letzte Kraft verlor, im
 
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