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MAHCTCHRISTENTUM

Ausdruckswollens, das im Sinne romanischer Portalskulpturen durch formale Über-
steigerungen und lineare Vergewaltigung der Naturgestalt etwas wie nach Be-
freiung ringende Kräfte, wie Angst vor dem Unfaßbaren offenbart (Abb. 7 oben).
Hier äußert sich gegenüber der strengen Ruhe des Orientalischen die bewegte
Spannung eines sich durchringen wollenden persönlichen Geistes, wie ihn der
Kampf gegen die karge Hochlandsnatur erstehen läßt, eines Geistes, mit dem
sich der armenische Osten durch den Zwang der Lebensverhältnisse wieder dem
Westen in seiner nördlichen Erscheinungsform nähert, dabei aber immer sich der
durch das Unabänderliche gesetzten Schranken bewußt bleibt.
MACHTCHRISTENTUM
GESETZ UND KIRCHE
Und das Wort ist Fleisch geworden": Diese Worte bekommen nach dem
Bildersturme ihre besondere Bedeutung. Theologisch ist es die Inkarnations-
lehre im Zusammenhang mit der Trinitätslehre, die in den Vordergrund tritt.
Der reine geistige Gottesbegriff des Ostens, der keine Verkörperlichung und
damit auch keine bildliche Darstellung duldete, konnte in Byzanz, geschweige
denn im weiteren Abendland, nicht Sieger bleiben. Westliches Volkstum drängte
vor allem in den Klöstern allmählich wieder an die Oberfläche, zwang zu einem
neuen Ausgleich, verlangte wieder nach Anschaulichkeit des Göttlichen. Freilich
konnte nicht der persönliche Einfall für die künstlerische Gestaltung des heiligen
Bildes entscheidend sein, denn auch im religiösen Leben war das Wort, der Glaube,
in irdische Fesseln gebannt worden, Liturgie und Dogma lenkten die Gläubigkeit
in bestimmte Richtung. Die geistliche Machtder Kirche übernahm den orientalischen
Herrschergedanken, der mit der freiwilligen Unterordnung des Individuums
rechnete. Hierin mag denn auch der tiefere Grund liegen, der in dieser Zeit
zur Trennung der westlich-römischen und der orthodoxen Kirche führte. Denn
wenn auch zwischen beiden äußerlich nur geringe Unterschiede bestehen, beide
auf Schrift und Überlieferung gründen, so hatte die westliche Kirche von dieser
Zeit an immer viel stärker mit der freien Entfaltung des Individuums zu rechnen
und mußte den großen in Humanismus und Reformation ausreifenden Bewegungen
gerecht werden, während in Osteuropa die Zersplitterung in autokephale National-
kirchen nie den Einheitsgedanken und das Zusammengehörigkeitsgefühl brach,
 
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