T e c h n i k
mitunter sogar Privataufträge in den Räumen der Gobelins erledigen, gehört das Ver-
schwinden von Rohmaterialien nicht gerade zu den seltenen Erscheinungen. Der Orga-
nisation allein das Übel zuzuschreiben, wäre fehlerhaft; der ständige Geldmangel, an
dem die fiskalischen Kassen in den letzten Jahrzehnten der Regierung Ludwigs XIV-
bis zum Ausbruche der Revolution kranken, trägt die Hauptschuld. Die Bezahlung ließ
oft lang auf sich warten; die Wirker erhielten keinen oder nur einen Teil ihres Lohnes,
geschweige denn die ausgesetzten Sonderprämien. 1792 wird mit dem alten System
gebrochen. Der „chef d'atelier" ist kein Unternehmer mehr; er wird reiner Aufsichts-
beamter; die Wirker erhalten Tagelohn und arbeiten als festbesoldete Angestellte. Die
Bezahlung entsprechend Güte und Schwierigkeit der Arbeit hört auf, mit ihr jegliches
Vorwärtsstreben; die beschauliche Ruhe, die angeblich erst den Bildwirker zum aus-
übenden Künstler macht, ist erreicht. Ob der gewünschte Erfolg hiermit gesichert ist,
erscheint allerdings mehr wie zweifelhaft.
Fertigstellung des Wandteppichs.
Instandsetzung beschädigter Behänge.
Der Aufbau der flämischen und brabantischen Ateliers findet bei Besprechung der
betreffenden Manufakturen genügend Berücksichtigung, kann also an dieser Stelle über-
gangen werden. Von einer gewissen Sonderbedeutung sind die Vorschriften hinsicht-
lich Fertigstellung und Instandsetzung der Teppiche.
Zweifelsohne war die Brüsseler Wirkerzunft stets redlich bemüht, ihren stolzen
Wahlspruch: „Ein guter Name gilt mehr denn Reichtum" zu allen Zeiten in Ehren zu
halten. Die immer schärfer werdende Konkurrenz, politische und wirtschaftliche
Schwierigkeiten der verschiedensten Art, ließen das Festhalten am geraden Wege oft
mühsam und töricht erscheinen. Diebstähle an Rohmaterial kamen in Brabant so gut
vor wie in Paris, auch die schärfsten Vorschriften vermochten dem Unwesen keinen
Einhalt zu gebieten. Schalten wir derartige Vorkommnisse aus, und beschränken wir
uns auf Mißbräuche rein künstlerischer Art, so springen uns zunächst einige charak-
teristische Vorschriften des bekannten Ediktes Kaiser Karls V. von 1544 in die Augen:
„......les testes (Köpfe), nez, yeulx, bouches de personages et semblables se pro-
fileront et ouvreront au fond de la tapisserie." Die Forderung, die verlangt, daß die
Köpfe der auf dem Teppich wiedergegebenen Figuren „au fond de la tapisserie", d. h.
in Wirktechnik, ausgeführt sein sollen, erscheint auf den ersten Blick als Selbstverständ-
lichkeit. Tatsächlich handelt es sich um einen alten Streitpunkt, der schon 20 Jahre
zuvor wenig erquickliche Aussprachen auslöste und letzten Endes die Ursache der
scharfen Verordnung vom 24. April 1525 wurde. Die Kaufmannschaft, insbesondere
die Tapisseriemakler, die mit Spanien und Portugal von altersher in regen Geschäfts-
verbindungen standen, führen bewegliche und durchaus berechtigte Klagen, daß die
Güte der niederländischen Behänge in der letzten Zeit viel zu wünschen übrig lasse.
Vereinzelt begnügen sich die Meister nicht mehr damit, die Köpfe und das Inkarnat
mittels aufgetragener Farben vorzutäuschen, selbst die Staffage, die Landschaften des
Hintergrundes, der Baumschlag, ja ganze Felsenpartien und die Detaillierung des Himmels
werden durch Einmalen verfälscht. Die langwierigen Verhandlungen, die vor der Zunft-
justiz, dem „Onderamtman" und dem Rate der Stadt ausgetragen werden, führen zu
der Verordnung, die bei Strafe der Verbannung verbietet, bei Bildteppichen, deren Her-
stellungspreis 20 bzw. 24 Stuivers die flämische Quadratelle übersteigt, Gesichtszüge und
Fleischtöne mit flüssigen Farben vorzutäuschen(30). Die Vorschrift ist mit oder ohne
Absicht nicht völlig klar gefaßt. Die Folgeerscheinung war naturgemäß die Verwen-
dung trockener, mit Hilfe roter, brauner oder blauer Stifte aufgetragener Farben. Der
alte Streit erwacht von neuem. Es scheint den Wirkern gelungen zu sein, die Statt-
halterin Maria von Ungarn von der Gerechtigkeit ihrer Forderungen zu überzeugen;
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mitunter sogar Privataufträge in den Räumen der Gobelins erledigen, gehört das Ver-
schwinden von Rohmaterialien nicht gerade zu den seltenen Erscheinungen. Der Orga-
nisation allein das Übel zuzuschreiben, wäre fehlerhaft; der ständige Geldmangel, an
dem die fiskalischen Kassen in den letzten Jahrzehnten der Regierung Ludwigs XIV-
bis zum Ausbruche der Revolution kranken, trägt die Hauptschuld. Die Bezahlung ließ
oft lang auf sich warten; die Wirker erhielten keinen oder nur einen Teil ihres Lohnes,
geschweige denn die ausgesetzten Sonderprämien. 1792 wird mit dem alten System
gebrochen. Der „chef d'atelier" ist kein Unternehmer mehr; er wird reiner Aufsichts-
beamter; die Wirker erhalten Tagelohn und arbeiten als festbesoldete Angestellte. Die
Bezahlung entsprechend Güte und Schwierigkeit der Arbeit hört auf, mit ihr jegliches
Vorwärtsstreben; die beschauliche Ruhe, die angeblich erst den Bildwirker zum aus-
übenden Künstler macht, ist erreicht. Ob der gewünschte Erfolg hiermit gesichert ist,
erscheint allerdings mehr wie zweifelhaft.
Fertigstellung des Wandteppichs.
Instandsetzung beschädigter Behänge.
Der Aufbau der flämischen und brabantischen Ateliers findet bei Besprechung der
betreffenden Manufakturen genügend Berücksichtigung, kann also an dieser Stelle über-
gangen werden. Von einer gewissen Sonderbedeutung sind die Vorschriften hinsicht-
lich Fertigstellung und Instandsetzung der Teppiche.
Zweifelsohne war die Brüsseler Wirkerzunft stets redlich bemüht, ihren stolzen
Wahlspruch: „Ein guter Name gilt mehr denn Reichtum" zu allen Zeiten in Ehren zu
halten. Die immer schärfer werdende Konkurrenz, politische und wirtschaftliche
Schwierigkeiten der verschiedensten Art, ließen das Festhalten am geraden Wege oft
mühsam und töricht erscheinen. Diebstähle an Rohmaterial kamen in Brabant so gut
vor wie in Paris, auch die schärfsten Vorschriften vermochten dem Unwesen keinen
Einhalt zu gebieten. Schalten wir derartige Vorkommnisse aus, und beschränken wir
uns auf Mißbräuche rein künstlerischer Art, so springen uns zunächst einige charak-
teristische Vorschriften des bekannten Ediktes Kaiser Karls V. von 1544 in die Augen:
„......les testes (Köpfe), nez, yeulx, bouches de personages et semblables se pro-
fileront et ouvreront au fond de la tapisserie." Die Forderung, die verlangt, daß die
Köpfe der auf dem Teppich wiedergegebenen Figuren „au fond de la tapisserie", d. h.
in Wirktechnik, ausgeführt sein sollen, erscheint auf den ersten Blick als Selbstverständ-
lichkeit. Tatsächlich handelt es sich um einen alten Streitpunkt, der schon 20 Jahre
zuvor wenig erquickliche Aussprachen auslöste und letzten Endes die Ursache der
scharfen Verordnung vom 24. April 1525 wurde. Die Kaufmannschaft, insbesondere
die Tapisseriemakler, die mit Spanien und Portugal von altersher in regen Geschäfts-
verbindungen standen, führen bewegliche und durchaus berechtigte Klagen, daß die
Güte der niederländischen Behänge in der letzten Zeit viel zu wünschen übrig lasse.
Vereinzelt begnügen sich die Meister nicht mehr damit, die Köpfe und das Inkarnat
mittels aufgetragener Farben vorzutäuschen, selbst die Staffage, die Landschaften des
Hintergrundes, der Baumschlag, ja ganze Felsenpartien und die Detaillierung des Himmels
werden durch Einmalen verfälscht. Die langwierigen Verhandlungen, die vor der Zunft-
justiz, dem „Onderamtman" und dem Rate der Stadt ausgetragen werden, führen zu
der Verordnung, die bei Strafe der Verbannung verbietet, bei Bildteppichen, deren Her-
stellungspreis 20 bzw. 24 Stuivers die flämische Quadratelle übersteigt, Gesichtszüge und
Fleischtöne mit flüssigen Farben vorzutäuschen(30). Die Vorschrift ist mit oder ohne
Absicht nicht völlig klar gefaßt. Die Folgeerscheinung war naturgemäß die Verwen-
dung trockener, mit Hilfe roter, brauner oder blauer Stifte aufgetragener Farben. Der
alte Streit erwacht von neuem. Es scheint den Wirkern gelungen zu sein, die Statt-
halterin Maria von Ungarn von der Gerechtigkeit ihrer Forderungen zu überzeugen;
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