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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0226
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Beauvais

B e a u v a i s.

Urkunden des Staatsarchives von Beauvais berichten von zwei Wirkern Bar und
Isembert Seal, die 1518 und 1548 mit städtischer Unterstützung ihre Kunst übten. Der
Gedanke liegt nahe, die Werkstatten mit einer Folge im Besitze der Kathedrale von
Beauvais, den „sagenhaften Königen von Frankreich", in Verbindung zu bringen. Die
Reihe besteht heute aus fünf Behängen; sie beginnt mit dem ersten König Galliens
„Samothes, ihm folgt als neunter Herrscher Jupiter Celte (1. Teppich). Der zweite
Behang bringt den legendären zehnten König Hercules de Libye, der dritte zeigt wie-
derum zwei Gestalten — Galathes, den 11. und Lugdus, den 13. Fürsten —, der vierte
umfangreichste Teppich deren drei — Belgius, 14. König, Jasius, seinen Nachfolger und
Pai'is, 18. Herrscher —; mit dem fünften Behänge — Heraus und Francus, 23. und 24
König — schließt die Serie, soweit sie uns überkommen ist. Als Leitfaden diente eine
Schrift des bekannten Bhetorikers Jean Lemaire, die „lllustrations de Gaule et singu-
laritez de Troye", die 1509 und 1512 im Drucke erschien. Jedes Königsbild wird
durch einen Vierzeiler erläutert, das Wappen, das sich mehrfach auf den Teppichen
findet, geht auf den Besteller, den Kanonikus Nicolas d'Argillieres, der von 1510 bis
1561 ein Haus in der Nähe der Kathedrale bewohnte, zurück; die Jahreszahl 1530 läßt
über die Zeit der Entstehung — ganz abgesehen von der Eigenart der Trachten —
keinerlei Zweifel. Die Figuren sind gegen einen geographischen (Gallien) oder städte-
baulichen Hintergrund gestellt, u. a. verrät Beauvais, in Verbindung mit Belgius, eine
starke Vertrautheit des Patronenzeichners mit dem damaligen Stadtbild. Die Behänge
entstammen aller Wahrscheinlichkeit nach den Ateliers des französisch-flandrischen
Grenzgebietes, eine unmittelbare Verbindung mit den eingangs erwähnten Meistern
läßt sich zunächst nicht mit Sicherheit herleiten, sie liegt immerhin sehr nah, umsomehr
als die Wirker von Tournai und der Touraine ihre Tätigkeit vielfach im Wandern
von Schloß zu Schloß, von Kathedrale zu Kathedrale auszuüben pflegten. Jules Badin
bringt ferner die Petrusgeschichte aus der Mitte des 15. Jahrhunderts — ein Geschenk
des Bischofs Guillaume de Heilande — mit einer einheimischen Werkstatt in Verbin-
dung. (1) Die Annahme ist m. E. irrig, es handelt sich um ein typisches Tournaiser
Erzeugnis.

Die Barock-Manufaktur Beauvais unterscheidet sich in ihrem Aufbau recht wesent-
lich von den gleichzeitigen großen staatlichen Werkstätten der Gobelins. Sind diese
in erster Linie auf das Bedürfnis des königlichen Hauses und des ihm liierten Hoch-
adels zugeschnitten, wird die Bildteppichwirkerei sowohl in der hoch- als auch in der tief-
litzigen Technik betrieben, trägt die Produktion der Gobelins mit gewissen Ausnahmen
einen durchaus offiziellen Charakter, so sind die Ateliers zu Beauvais von Anbeginn
rein kaufmännisch eingestellt. Schon die alleinige Pflege des Basselisseverfahrens, das
auf rasches Erzeugen den Hauptnachdruck legt, charakterisiert klar die Wesensart von
Beauvais. Es soll gute, einwandfreie, dabei aber marktgängige Ware hergestellt
werden.

Das Gedeihen des Unternehmens hängt in erster Linie von der Tüchtigkeit und Ge-
schäftskundigkeit des leitenden Direktors, von der Fähigkeit der ihm unterstellten
Wirker ab. Der Grundgedanke, auf dem Beauvais sich aufbaut, macht ohne weiteres
die bitteren wirtschaftlichen Kämpfe verständlich, denen die Manufaktur lange Jahr-
zehnte hindurch ausgesetzt ist, er erklärt den starken Mangel an urkundlichem Material,
der sich namentlich unter Hinarts Leitung unangenehm bemerkbar macht. Die offiziellen
Register beginnen erst mit dem Jahre 1723.

Durch das königliche Edikt vom 5. August 1664 wird Louis Hinart, wohnhaft zu
Paris in der rue de Richelieu, einem aus Oudenaarde eingewanderten Händler und Wir-

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