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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0342
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Reims. Charleville

Kleinmanufakturen.

Reims. Charleville.

Sowohl Loriquet (1) als auch neuerdings Sarter (2) haben sich eingehend mit den
zahlreichen, für die Geschichte des Bildteppichs außerordentlich wichtigen, in der
Kathedrale zu Reims und in verschiedenen anderen Kirchen und Instituten der Stadt
erhaltenen Behänge beschäftigt. Ohne Erfolg sucht Loriquet den Nachweis einer frühen
Reimser Wirkerzentrale, die angeblich seit dem 14. Jahrhundert mit Arras, Beauvais (!)
und Paris wetteiferte, zu erbringen. Die Zahl der urkundlichen Notizen — es handelt
sich fast durchgängig um Stiftungen hoher Geistlicher — ist erdrückend und ver-
wirrend. Die^Daten sind mit äußerster Vorsicht zu betrachten; die Belege der frühe-
sten Zeit sind in der Unklarheit des technischen Ausdrucks — „pannum" bezeichnet so-
wohl eine Stickerei, einen Brokatstoff, ein Leinen- und Wollengewebe, als auch eine
Wirkerei im eigentlichen Sinne — für unser Thema nur von geringem Wert. Eben-
sowenig kann die Tatsache, daß verschiedene Pariser „tapissiers sarrazinois11 und Tour-
naiser Wirker des 13. und 14 Jahrhunderts — Eustache de Reims (1292), Nicolas de
Reims (1328 in Tournai), Jehan de Reims (1348—1362 in Tournai), Tierry de Reims
— ihre Abstammung aus Reims herleiten, als Manufakturnachweis angesehen werden.
Mit dein gleichen Rechte müßten dann Dutzende von flämischen und nordfranzösischen
Städten und Ortschaften für die Bildwirkerei in Frage kommen.

Mit welcher Vorsicht frühe Inventarvermerke aufzunehmen sind, zeigt u. a. eine
Stiftung, die Erzbischof Robert de Courtenay 1299 seiner Kathedrale zuteil werden
läßt. Außer „quatuor tapetes qui ponuntur in solemnitatibus in choro, in dextera parte
et in qua imagines sunt depicti, videlicet B. Virgo et tres reges Colonienses", finden
wir einen Behang (courtine) mit dem Wappen des Stifters. Die Bestandesaufnahme
von 1709 erwähnt zum letzten Male «la grande courtine de Courtenay", faite de gaze
couleur d'or".

Immerhin liegt eine gewisse Möglichkeit vor, daß auch im Reims, wie in so vielen
größeren und kleineren Städten Nord- und Mittelfrankreichs Wirker ansäßig waren,
die sich mit der Herstellung einfacher Gebrauchsteppiche befaßten. Es ist nicht ohne
weiteres ausgeschlossen, daß die im Nachlasse des Erzbischofs Richard Pique (1375
bis 1389) erwähnten „5 pieces de tapis rouges armoyes au milieu. Un tappis ä un
serf (cerf) et ä un chien. Vn viez tappis ä ymages de feuilletes. Deux tappis vermaux
(rot) ä Licorgne (licorne). Un banquier ä oiseaux. Une couverture ä bestes et a oiseaux",
zum Teil in Reims entstanden sind. Sichere urkundliche Belege fehlen zunächst. Am 11.
Oktober 1419 verfügt Jean Canart, der Abt von Saint Remi, eine größere Zahlung
tten l'ouvrage de la tapicerie de Monsieur Saint Remi (St. Remigius) que presentement
faisons faire tant aux tappiciers et au pointre (peintre, Maler) qui la font, comme autre-
ment, et pour ce Ii ayons baillie et fait ballier ä plusieurs foix nos gens et serviteurs
la somme de cent sept livres dix neuf solz parisis laquelle il ait tout alouee en ce
qui dit est . . ." (3) Es wäre nicht ausgeschlossen, daß die Folge in Reims unter
Aufsicht des Stifters gewirkt ist. Bedenklich stimmt jedoch die große Zahl der Serien,
die Jean Canart hinterläßt, die ein recht umfangreiches Bildwirkeratelier voraussetzen,
das in der Abtei nahezu ein Jahrzehnt hätte installiert sein müssen, dessen Anwesen-
heit, ohne dokumentarische Spuren zu hinterlassen, wahrscheinlich nicht vorüberge-
gangen wäre (4).

Die gleiche Unklarheit herrscht hinsichtlich der späteren Stiftungen. Der Rechnungs-
vermerk vom 9. März 1457, nach dem „Colin Colin, tappissier" den Betrag von 33
sols parisis erhält «pour ses peines et salaire d'avoir fait pour mondit seignr de Reims
trois ecussons aux armes de mond. seignr et mis en trois tappis oü il y a chacun une

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