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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Editor]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0454
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Neapel

augenscheinlich in dem preziösen Geiste des 18. Säkulums auf den bevorstehenden
königlichen Ehebund Bezug. In dem letzten Teppich wiegt eine Frauengestalt ein
schlafendes Kind im Arm, sie legt bedeutsam den Finger auf den Mund, um jede
Störung von dem Kleinen fernzuhalten. Wo die zugehörigen Supraporten und Fenster-
wirkereien sich zur Zeit befinden, entzieht sich meiner Kenntnis.

Die dritte große Serie Duranti's umfaßt die Geschichte der Psyche mit sieben Be-
hängen. Die Vollendung fällt in die Spanne von 1783 bis 1786. Die Manufaktur ist seit
1778, nach Fertigstellung der Don Quijotereihe, von San Carlo nach der Residenz
verlegt. Für die letzte Epoche (1778—1801) fehlen sämtliche urkundlichen Belege.
Lediglich stilistische Vergleiche und die zumeist noch erhaltenen Wirkersignaturen
mit den beigefügten Jahreszahlen ermöglichen die Zuschreibung. Die Patronenmaler
der Psychereihe sind nicht bekannt, es handelte sich aber zweifelsohne um italienische
Künstler, die sich zum Teil an Raffael'schen Fresken inspirierten, andererseits auch
die Verwendung von Stichvorlagen nicht verschmähten. Es handelt sich um vier
große Wandbehänge und drei Zwischenfensterstücke: 1. Psyche schreitet über die
blumenbesäten Stufen der säulengetragenen, mit Draperien geschmückten Palasthalle,
sie nimmt mit freundlicher Miene die ihr kniend dargebrachten Spenden entgegen, in
den Lüften schwingt sich Gott Amor, an eine Frauengestalt geschmiegt. Die Kom-
position ist kümmerlich, die Wirktechnik schwach, die Wiedergabe des Himmels,
der einen verhältnismäßig breiten Raum einnimmt, geradezu minderwertig.

Überraschend wirkt dagegen die zwar etwas trockene, aber mit äußerster Sorgfalt
und Feinheit durchgeführte Bordüre, die im Entwurf sicherlich nicht auf den Künstler der
Mitteldarstellung zurückgeht (Abb. 471). Merkwürdigerweise findet sich die figürlich ge-
löste Fassung nur bei einigen Stücken der Folge. Wohl aus Sparsamkeitsgründen
wird der Rahmen erheblich vereinfacht, Genien und Amoretten fallen fort, das Format
wandelt sich zum langweiligen Rechteck (Abb. 472, 473). Der erste Behang trägt die
Signatur: P. DURANTI. F. NAP . MDCCLXXXIII. Das nächste, wohl beste Stück der
Serie, schildert Psyche's Schmückung. Die Schöne ruht auf einem thronartigen Hoch-
sitz, auf dem roten, goldbordierten Teppich kniet eine Dienerin und reibt eifrig die
Füße der eben dem Bade entstiegenen Braut. Zwei Mädchen halten dienstbereit
Kästchen mit edlem Geschmeide und reiche Perlenketten. Musizierende Genien sind
um das Wasserbecken gelagert, in dem munter ein Putto mit einem Delphin planscht.
In den Lüften naht der von Amoretten umschwärmte Amor, in der Linken Bogen
und Pfeil. Die Bordüre ist die gleiche wie bei dem ersten Behänge. Als Jahreszahl
hinter der Wirkerbezeichnung erscheint 1786.

Psyche schleicht sich im dritten Teppich (Zwischenfensterstück) heimlich zu dem
schlafenden Amor, in der Hand die Lampe (Abb. 471). Ein Tropfen heißes öl fällt
auf die Schulter des Gottes, der zürnend entweicht. Vergebens sucht die Unge-
horsame nach dem verschwundenen Geliebten. Sie wagt sich in den Palast der
Venus, der zürnenden Mutter. Im vierten Behang läßt die Göttin die verzweifelt vor ihr
kniende Psyche mit Geißelhieben züchtigen, die Allegorien der Traurigkeit und Einsamkeit
vollziehen die grausame Strafe. In der Ecke kauern zwei bestürzte Amoretten (Abb.
Nr. 472). Die Bordüre verkörpert den vereinfachten Typ. Venus entsendet die Un-
glückliche in die Unterwelt, um „Schönheit" von der Herrin des Tartaros, Proserpina,
zu erbitten. Psyche erhält das Mittel, neugierig öffnet sie das Gefäß und wird von
stygischem Schlafe befallen. In dem zweiten Zwischenfensterteppich (5. Stück) naht
sich Amor und erweckt sie mit der Spitze seines Pfeiles; die Signatur lautet P. D.
F. MDCCLXXXVI. Als Gegenstück erscheint im dritten Entrefenetres (6. Teppich)
Psyche in den Lüften von der Allegorie des Windes getragen, Amor erwartet sehn-
suchtsvoll vor den Stufen des zauberischen Palastes die Geliebte — die Episode bildet
den Auftakt und Beginn der Folge. Der letzte (7.) Teppich zeigt den Schlußakkord.
Amor erfleht von Jupiter die Aufnahme Psyche's in den Olymp. Die Komposition ist
recht schwach; der entwerfende Künstler, der mit dem Patronenmaler der vorauf-
gegangenen Behänge sicherlich nicht identisch ist, beschränkt sich auf eine unbeholfene

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