Tours.
Touraine.
Grenzgebiete
einstigen Sünderin; wiederum erscheinen die Schattenlagen in Rot; das Oberkleid mit
grünem Futter zeigt in den Falten energische, langgezogene Schraffen. Abgesehen von
den roten Ärmeln ist die Gottesmutter ganz in Dunkelblau gekleidet. Die Figur er-
innert an gleichzeitige Brüsseler Arbeiten, wie überhaupt verschiedene Einzelheiten,
die genau senkrecht verlaufenden Schraffen, die Zeichnung der Gesichtszüge, die Lö-
sung des Baumschlages im Hintergrunde, die Durchbildung des Pflanzenwerkes usw.
den Einfluß der Hauptstadt Brabants verraten. Johannes schließlich trägt ein rotes
Obergewand, das sich von einer dunklen Schattenlage, ganz im Sinne des niederlän-
dischen Farbenzirkels, über einen Mittelton in Rosaweiß löst; das Futter und die Ärmel
sind blau. Zu beiden Seiten der Gruppe erscheinen, gegen die das Kreuz deckende
Brokatwand gestellt, die Schutzheiligen des Stifterpaares. Rechts trägt St. Stephanus
die Palme des Märtyrers, dünnes Blutgerinsel fließt aus der Steinwunde über Wange
und Hals. Ein Brokatkleid umhüllt den Körper; rotbraune Konturen fassen die Ranken;
die Schattenpartien sind durch rote Schraffen und dunkelbraunrote Lagen weniger
energisch betont als in der Folge von Auxerre. Ganz hervorragend ist die Gestalt
des Schutzheiligen zur Linken gelöst. Sankt Michael, der Kämpfer in strahlender
Rüstung, tritt den unterlegenen Satanas unter die Füße; die Linke führt das langge-
stielte Kreuz, die Rechte schwingt das breite Schwert zu vernichtendem Schlage. Der
Brustpanzer mit aufgelegten geflügelten Engelsköpfen erstrahlt in einem satten Rot,
das sich zu Gelb lichtet; Arm- und Beinschienen, sowie das Kettenhemd zeigen das
Blau blanken Eisens, die Knie- und Armgelenke sind in Goldgelb abgesetzt; die spie-
gelnden Flächen des Metalls werden durch schmale gebogene graue und dunkelblaue
Streifen äußerst täuschend wiedergegeben. Die Durchbildung der Gesichtszüge der
Personen der Kreuzesabnahme steht etwa auf der gleichen Höhe wie in dem Grablegungs-
antependium; sie erreicht bei weitem nicht die vornehmen Physionomien der Baldachin-
träger in der Sankt Stephanuslegende. Die den Körper des Heilandes hüllende Decke
unserer Kreuzesabnahme ist in fünf Bahnen gegliedert. Die Farbengebung entspricht der
Lösung des Brokates unter dem Reliquienschreine des St. Stephanus; eine gewisse Ab-
wechslung wird dadurch erreicht, daß die ausstrahlenden Ranken mit blauem bzw. rotem
Grunde ausgelegt sind;entsprechend ist der innere Fond des Granatapfelmotivs farbig ge-
tönt; der ripsartige Charakter wird durch dicht nebeneinandergelegte feine senkrechte
hellbraune Linien erreicht. Vier Rngel mit rotgelben Flügeln, grünen, roten und gelbweißen
flatternden Gewändern, halten den Stoff. Der schmale hohe Streifen zwischen dem Ende
des Brokats und der Bordüre zur Rechten eröffnet den Ausblick auf eine elegant detaillierte
Landschaft, die stark an die Miniaturentechnik erinnert. Ein schmales geometrisches
Band — kleine farbige Dreiecke — faßt die untere Kante des Teppichs, während
als oberer Rahmen ein dünne lateinische Legende auf fein gemustertem gelbbraunem
Grunde erscheint. Regelrechte Bordüren finden sich dagegen an den beiden Seiten.
Ähnlich wie bei der Grablegung ist der Rahmen in kleine Quadrate geteilt, die Edel-
stein- und Perlenfassung verschwindet zugunsten eines etwas langweiligen geome-
trischen Ornamentes. Von den fünf Feldern zur Rechten wie zur Linken sind je zwei
mit einem Brokatmuster gefüllt, die übrigen bringen auf den Stifter und das Sterben
des Heilandes bezügliche eigenartige Embleme, oben von der Legende «CINIS . ES
unten von „MEMENTO" gerahmt. Die Buchstaben i und v sind durch schwarze
Schnüre verbunden; an dem einen Ende hängt ein winziger Totenkopf, an dem an-
deren eine goldgefaßte schwarze Perle. Das Motiv ist unschwer verständlich. Sicher
erscheint mir dagegen nicht, ob die beiden Buchstaben i und v die Initialen des
Stifters sind — nach Lage der Sache am wahrscheinlichsten —, oder ob sie, in Verbin-
dung mit einem weiteren, verlorengegangenen oder mir nicht bekannten Antependium,
auf die Anfangsbuchstaben eines Spruches — i. v. = in vanitas — zu deuten wären.
Die Geschichte der Heiligen Florent und Florentin in der Pfarrkirche Sankt Peter
zu Saumur schließt sich, wenn auch nicht zeitlich, so doch stilistisch unmittelbar der
großen St. Stephanusreihe an. Die Serie umfaßte ursprünglich 28 Bilder; Armand
Parrot spricht von neun Behängen mit 19 Episoden und dem Stifterporträt des
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Touraine.
Grenzgebiete
einstigen Sünderin; wiederum erscheinen die Schattenlagen in Rot; das Oberkleid mit
grünem Futter zeigt in den Falten energische, langgezogene Schraffen. Abgesehen von
den roten Ärmeln ist die Gottesmutter ganz in Dunkelblau gekleidet. Die Figur er-
innert an gleichzeitige Brüsseler Arbeiten, wie überhaupt verschiedene Einzelheiten,
die genau senkrecht verlaufenden Schraffen, die Zeichnung der Gesichtszüge, die Lö-
sung des Baumschlages im Hintergrunde, die Durchbildung des Pflanzenwerkes usw.
den Einfluß der Hauptstadt Brabants verraten. Johannes schließlich trägt ein rotes
Obergewand, das sich von einer dunklen Schattenlage, ganz im Sinne des niederlän-
dischen Farbenzirkels, über einen Mittelton in Rosaweiß löst; das Futter und die Ärmel
sind blau. Zu beiden Seiten der Gruppe erscheinen, gegen die das Kreuz deckende
Brokatwand gestellt, die Schutzheiligen des Stifterpaares. Rechts trägt St. Stephanus
die Palme des Märtyrers, dünnes Blutgerinsel fließt aus der Steinwunde über Wange
und Hals. Ein Brokatkleid umhüllt den Körper; rotbraune Konturen fassen die Ranken;
die Schattenpartien sind durch rote Schraffen und dunkelbraunrote Lagen weniger
energisch betont als in der Folge von Auxerre. Ganz hervorragend ist die Gestalt
des Schutzheiligen zur Linken gelöst. Sankt Michael, der Kämpfer in strahlender
Rüstung, tritt den unterlegenen Satanas unter die Füße; die Linke führt das langge-
stielte Kreuz, die Rechte schwingt das breite Schwert zu vernichtendem Schlage. Der
Brustpanzer mit aufgelegten geflügelten Engelsköpfen erstrahlt in einem satten Rot,
das sich zu Gelb lichtet; Arm- und Beinschienen, sowie das Kettenhemd zeigen das
Blau blanken Eisens, die Knie- und Armgelenke sind in Goldgelb abgesetzt; die spie-
gelnden Flächen des Metalls werden durch schmale gebogene graue und dunkelblaue
Streifen äußerst täuschend wiedergegeben. Die Durchbildung der Gesichtszüge der
Personen der Kreuzesabnahme steht etwa auf der gleichen Höhe wie in dem Grablegungs-
antependium; sie erreicht bei weitem nicht die vornehmen Physionomien der Baldachin-
träger in der Sankt Stephanuslegende. Die den Körper des Heilandes hüllende Decke
unserer Kreuzesabnahme ist in fünf Bahnen gegliedert. Die Farbengebung entspricht der
Lösung des Brokates unter dem Reliquienschreine des St. Stephanus; eine gewisse Ab-
wechslung wird dadurch erreicht, daß die ausstrahlenden Ranken mit blauem bzw. rotem
Grunde ausgelegt sind;entsprechend ist der innere Fond des Granatapfelmotivs farbig ge-
tönt; der ripsartige Charakter wird durch dicht nebeneinandergelegte feine senkrechte
hellbraune Linien erreicht. Vier Rngel mit rotgelben Flügeln, grünen, roten und gelbweißen
flatternden Gewändern, halten den Stoff. Der schmale hohe Streifen zwischen dem Ende
des Brokats und der Bordüre zur Rechten eröffnet den Ausblick auf eine elegant detaillierte
Landschaft, die stark an die Miniaturentechnik erinnert. Ein schmales geometrisches
Band — kleine farbige Dreiecke — faßt die untere Kante des Teppichs, während
als oberer Rahmen ein dünne lateinische Legende auf fein gemustertem gelbbraunem
Grunde erscheint. Regelrechte Bordüren finden sich dagegen an den beiden Seiten.
Ähnlich wie bei der Grablegung ist der Rahmen in kleine Quadrate geteilt, die Edel-
stein- und Perlenfassung verschwindet zugunsten eines etwas langweiligen geome-
trischen Ornamentes. Von den fünf Feldern zur Rechten wie zur Linken sind je zwei
mit einem Brokatmuster gefüllt, die übrigen bringen auf den Stifter und das Sterben
des Heilandes bezügliche eigenartige Embleme, oben von der Legende «CINIS . ES
unten von „MEMENTO" gerahmt. Die Buchstaben i und v sind durch schwarze
Schnüre verbunden; an dem einen Ende hängt ein winziger Totenkopf, an dem an-
deren eine goldgefaßte schwarze Perle. Das Motiv ist unschwer verständlich. Sicher
erscheint mir dagegen nicht, ob die beiden Buchstaben i und v die Initialen des
Stifters sind — nach Lage der Sache am wahrscheinlichsten —, oder ob sie, in Verbin-
dung mit einem weiteren, verlorengegangenen oder mir nicht bekannten Antependium,
auf die Anfangsbuchstaben eines Spruches — i. v. = in vanitas — zu deuten wären.
Die Geschichte der Heiligen Florent und Florentin in der Pfarrkirche Sankt Peter
zu Saumur schließt sich, wenn auch nicht zeitlich, so doch stilistisch unmittelbar der
großen St. Stephanusreihe an. Die Serie umfaßte ursprünglich 28 Bilder; Armand
Parrot spricht von neun Behängen mit 19 Episoden und dem Stifterporträt des
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