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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0015
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Frühes

Mittelalter bis zum Ausgang
des 13. Jahrhunderts.

1. Die urkundlichen Belege der Frühzeit.

Die vorkarolingische, in noch höherem Maße die karolingische Zeit fanden in der Inter-
pretation der uns überlieferten, durchgängig lateinischen Schriftquellen, soweit Deutsch-
land in Betracht kommt, mehrfach ausführliche Bearbeitungen — in erster Linie durch
Julius von Schlosser, Gustav Stephani1) u. a. —; wesentliche Ergebnisse für unser Gebiet
zeitigten sie nicht. In keinem Falle ist mit Sicherheit zu ersehen, ob die zahlreich erwähnten
palliae, cortinae und tapecia in Wirk- oder Webtechnik bzw. in Stickerei durchgeführt
waren, wenngleich die Vermutung, fast die Gewißheit vorliegt, daß ein recht erheblicher
Teil Bildwirkereien gewesen sind. Der terminus technicus ,,texere", der sich bei der Be-
schreibung früher kirchlicher Textilien häufig findet, schließt zwar den Begriff der Stickerei
aus, er ist jedoch nicht ohne weiteres gleichbedeutend mit Wirkerei, sondern kann ebenso-
gut gewebte Stoße bezeichnen. Die Durchsicht des frühen Heldenliedes — das Thema
wurde bereits ausführlicher in dem Abschnitte „Deutung" des I. Teiles meiner „Wand-
teppiche" behandelt — führt zu dem gleichen Ergebnis; die Wahrscheinlichkeit, daß
manche der beschriebenen Behänge in reiner Wirktechnik ihre Durchbildung fanden, liegt
nahe, der schlüssige Beweis fehlt. Den ersten, einigermaßen brauchbaren Anhaltspunkt gibt
die allerdings erst im dritten Viertel des 16. Jahrhunderts niedergeschriebene Zimmersche
Chronik2), die von der Handfertigkeit — der gewirkte Teppich behandelt die Fahrt nach
Jerusalem — der Gattin des zu Beginn des 12. Säkulums verstorbenen Gottfridt von Zim-
mern zu melden weiß3). Der Bericht wird durch eine weitere Notiz ergänzt4): „Darumb ist
zu wissen, das in dem closter zu Alperspach auf dem Schwarzwaldt ain alt geschriben
buch, desgleichen ain großer gewirkter Aufschlag gewesen, welcher baide von langen unver-
dechtlichen jarn von der freiherrschaft Zimbern dahin kommen und gegeben worden. Der
inhalt des ganzen buchs ist ain beschribung des hörzugs, und gütlich zu glauben, das sol-
lichs von der freiherrn zu Zimbern ainem deren drei, nämlich her Friderich, her Conradt
und herr Albrecht, gebrüeder, darbei gewesen, beschriben und aufgezaichnet seye worden.
Gleicherweis sein grosse figuren scheibenweisin das gemelt tuoch gewürkt, mit latei-
nischen worten, welcher inhalt sich mit dem buch vergleicht; aus disen baiden dise nach-
volgende capitl, so vil es die freiherrn von Zimbern belangen thut, gezogen worden." An
der Tatsache, daß es sich in dem vorliegenden Falle um eine Wirkerei handelte, ist nicht
zu zweifeln. „Wurken" ist im Sprachgebrauch des 16. Jahrhunderts unzweideutig identisch
mit Teppichwirken. Zweifelhaft erscheint mir die Zeitangabe von 9 Jahren, die sicherlich
stark übertrieben ist; unsicher dünkt mich die allerdings bestimmt ausgesprochene Behaup-
tung, die Behänge seien allein von Elisabeth von Teck und ihren Frauen durchgeführt. Für
den früh romanischen Stil spricht die Fassung der Motive in Rundmedaillons — augen-
scheinlich in Anlehnung an die gleichzeitige Miniaturenmalerei —, erläutert durch latei-

1 Göbel, Wandteppiche III. 1
 
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