Basel
macht" nicht der berufsmäßig betriebenen Werktstatt des Minnegartens. Die Flora der
„Weiberrnacht" ist ein modifizierter Abkömmling der blühenden Büschel des Berliner
Teppichs „Greif und Liebespaar". Die geflammten Gräser des Minnegartens haben sich zu
nebeneinander gesetzten Strichlagen gewandelt; die Lilien und Maiglöckchen des „Liebes-
gartens" sind naturalistischer, die Gewächse der „Weibermacht" dagegen stärker stilisiert,
im Gepräge altertümlicher. Die etwas mißratene Zeichnung des hochspringenden Hundes
steht im merkwürdigen Widerspruch zu den glänzend durchgeführten Figuren. Die Ver-
mutung liegt nahe, daß der Entwerfer des Kartons sich, ähnlich wie beim Minnegarten,
lediglich auf die Bearbeitung der Figuren beschränkte, nach niederländischem Beispiel aber
die Behandlung des ihm nebensächlich erscheinenden Bodens dem Wirker (Wirkerin)
überließ. Das grüne Blatt-Rankenwerk, das den dunkelgrünen Fond überspinnt und den
Grund für die Figurengruppen abgibt, ist dergestalt gelöst, daß jedes Blatt in eine Licht-
und eine Schattenhälfte zerlegt wird; die Mittelrippe ist nicht mehr durch eine farbige
Linie betont, sondern lediglich durch subtile Spaltlagen angedeutet. In beiden Teppichen
dienen dunkle Konturen zur Herausholung der Gewandfalten, zur Einfassung der Hände
und Füße; Spalten formen die Linien des Kinnes, des Halsansatzes, der Backenknochen;
wesentliche Abweichungen in der Technik sind nicht feststellbar. Der Teppich der „Weiber-
macht" schließt sich insofern stärker der älteren Gruppe an, als er die Brokatzeichnung
nicht unmittelbar dem Grunde auflegt, sondern das dekorative Muster (z. B. beim Gewände
der Phyllis; blau mit roten Randlinien) mit andersfarbigen Konturen faßt; der gleiche
Vorgang ist bei dem Blattwerk des Apfelbaumes festzustellen (grüne Blätter mit roter
Kontur); die Schraffentechnik bleibt nach wie vor fast ganz aus dem Spiel, merkwürdiger-
weise sind die Schattenlagen der Äpfel durch rote, der Rundung folgende Hachuren be-
tont. In den gleichen Kreis gehört ein kleines Kissen-Fragment (um 1475) im Besitze der
Sammlung Bernheimer, München (H. 44 cm, L. 52 cm): Eine Frau in rot-gelbem Brokat-
gewand sammelt Holunderblüten in einen Korb86). Als Hintergrund dient ein blaues Granat-
apfelmuster. Ein verwandtes Fragment — eine Hirschkuh (?) springt einer sitzenden Frau
in den Schoß — eignet der Berlin-Frankfurter Kunsthandlung J. Rosenbaum.
Mit den Behängen der Weibermacht und des Minnegartens lassen sich verschiedene Tep-
piche und Fragmente mit Motiven aus dem Liebesleben in Verbindung bringen, in erster
Linie ein Rücklaken im Berliner Schloßmuseum (H. 0,60 m, L. 1,32 m, Abb. 18) und das
Gegenstück (H. 0,60 m, L. 1,32 m) im Musee de Cluny zu Paris. In beiden Fällen ist die
Textur etwa die gleiche (5 bis 6 Kettfäden auf den Zentimeter); als Einschlaggarn dienen
Wolle und Leinen. Ein grünes Brokatmuster überspinnt den dunkelblauen Grund, vor dem
zwei Liebespaare, durch einen weißen Wirkstreifen getrennt, Aufstellung nehmen. Der
Jüngling im ersten Abschnitt (roter Brokatmantel, blaues Unterkleid) spricht auf seine
Partnerin ein — „ich ■ har • uff • gnod" —; sie antwortet mit lebhaftem Händespiel:
„bis • stet • und ■ vest •
har • uf • das • best."
Zu Füßen der Dame kläfft ein Hündchen, vom Gewände fast verdeckt. Das zweite
Pärchen weilt an der „fontaine d'amour", einem gotischen Brunnen. Die Dame in Rot
erscheint als Spiegelbild ihrer Gefährtin in Blau, auch die Stellung des Jünglings (blauer
Rock, rote Hosen) hat sich nur wenig geändert; die Redegeste ist abgeschwächt, beide
benutzen die eine Hand zum Halten der Spruchbänder:
Er: „du ■ erfreuwest ■ mir ■ das ■ hertz • min"
Sie: „mag • ich ■ des • von • dir • sicher ■ sin."
Der Pariser Behang macht sich die Aufgabe leichter, indem er das gleiche Paar —
lediglich die Farben sind verschieden — zweimal bringt. Ein von dem Berliner Teppich
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macht" nicht der berufsmäßig betriebenen Werktstatt des Minnegartens. Die Flora der
„Weiberrnacht" ist ein modifizierter Abkömmling der blühenden Büschel des Berliner
Teppichs „Greif und Liebespaar". Die geflammten Gräser des Minnegartens haben sich zu
nebeneinander gesetzten Strichlagen gewandelt; die Lilien und Maiglöckchen des „Liebes-
gartens" sind naturalistischer, die Gewächse der „Weibermacht" dagegen stärker stilisiert,
im Gepräge altertümlicher. Die etwas mißratene Zeichnung des hochspringenden Hundes
steht im merkwürdigen Widerspruch zu den glänzend durchgeführten Figuren. Die Ver-
mutung liegt nahe, daß der Entwerfer des Kartons sich, ähnlich wie beim Minnegarten,
lediglich auf die Bearbeitung der Figuren beschränkte, nach niederländischem Beispiel aber
die Behandlung des ihm nebensächlich erscheinenden Bodens dem Wirker (Wirkerin)
überließ. Das grüne Blatt-Rankenwerk, das den dunkelgrünen Fond überspinnt und den
Grund für die Figurengruppen abgibt, ist dergestalt gelöst, daß jedes Blatt in eine Licht-
und eine Schattenhälfte zerlegt wird; die Mittelrippe ist nicht mehr durch eine farbige
Linie betont, sondern lediglich durch subtile Spaltlagen angedeutet. In beiden Teppichen
dienen dunkle Konturen zur Herausholung der Gewandfalten, zur Einfassung der Hände
und Füße; Spalten formen die Linien des Kinnes, des Halsansatzes, der Backenknochen;
wesentliche Abweichungen in der Technik sind nicht feststellbar. Der Teppich der „Weiber-
macht" schließt sich insofern stärker der älteren Gruppe an, als er die Brokatzeichnung
nicht unmittelbar dem Grunde auflegt, sondern das dekorative Muster (z. B. beim Gewände
der Phyllis; blau mit roten Randlinien) mit andersfarbigen Konturen faßt; der gleiche
Vorgang ist bei dem Blattwerk des Apfelbaumes festzustellen (grüne Blätter mit roter
Kontur); die Schraffentechnik bleibt nach wie vor fast ganz aus dem Spiel, merkwürdiger-
weise sind die Schattenlagen der Äpfel durch rote, der Rundung folgende Hachuren be-
tont. In den gleichen Kreis gehört ein kleines Kissen-Fragment (um 1475) im Besitze der
Sammlung Bernheimer, München (H. 44 cm, L. 52 cm): Eine Frau in rot-gelbem Brokat-
gewand sammelt Holunderblüten in einen Korb86). Als Hintergrund dient ein blaues Granat-
apfelmuster. Ein verwandtes Fragment — eine Hirschkuh (?) springt einer sitzenden Frau
in den Schoß — eignet der Berlin-Frankfurter Kunsthandlung J. Rosenbaum.
Mit den Behängen der Weibermacht und des Minnegartens lassen sich verschiedene Tep-
piche und Fragmente mit Motiven aus dem Liebesleben in Verbindung bringen, in erster
Linie ein Rücklaken im Berliner Schloßmuseum (H. 0,60 m, L. 1,32 m, Abb. 18) und das
Gegenstück (H. 0,60 m, L. 1,32 m) im Musee de Cluny zu Paris. In beiden Fällen ist die
Textur etwa die gleiche (5 bis 6 Kettfäden auf den Zentimeter); als Einschlaggarn dienen
Wolle und Leinen. Ein grünes Brokatmuster überspinnt den dunkelblauen Grund, vor dem
zwei Liebespaare, durch einen weißen Wirkstreifen getrennt, Aufstellung nehmen. Der
Jüngling im ersten Abschnitt (roter Brokatmantel, blaues Unterkleid) spricht auf seine
Partnerin ein — „ich ■ har • uff • gnod" —; sie antwortet mit lebhaftem Händespiel:
„bis • stet • und ■ vest •
har • uf • das • best."
Zu Füßen der Dame kläfft ein Hündchen, vom Gewände fast verdeckt. Das zweite
Pärchen weilt an der „fontaine d'amour", einem gotischen Brunnen. Die Dame in Rot
erscheint als Spiegelbild ihrer Gefährtin in Blau, auch die Stellung des Jünglings (blauer
Rock, rote Hosen) hat sich nur wenig geändert; die Redegeste ist abgeschwächt, beide
benutzen die eine Hand zum Halten der Spruchbänder:
Er: „du ■ erfreuwest ■ mir ■ das ■ hertz • min"
Sie: „mag • ich ■ des • von • dir • sicher ■ sin."
Der Pariser Behang macht sich die Aufgabe leichter, indem er das gleiche Paar —
lediglich die Farben sind verschieden — zweimal bringt. Ein von dem Berliner Teppich
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