Basel
ger Herkunft) und den Begleittieren — Bock, Schwein, Affe — einen erotischen Beige-
schmack. Die Annahme trifft m. E. bedingt zu, wenngleich der Zeichner des Kartons sich
wohl wenig Kopfschmerzen über die Deutung der Tiere auf Grund der Bestiarienliteratur
gemacht haben wird. Die Satire stellt eine Frau oder ein Mädchen dar, die in lächerlicher
Weise ihre Hausfrauentugenden herauskehrt, die eifrig spinnt, selbst wenn sie zu Markte
reitet, kurz die einen Typ verkörpert, der viel verspricht und wenig hält, der mit Äußerlich-
keiten den Mann zu betören sucht. Den Hintergrund des Kölner Stückes deckt kein Stoff-
muster, Ranken schlingen sich über blühendem Rasen; die Gruppe des Wiener Teppichs
ist unmittelbar dem Brokatmotiv aufgelegt, sie schwebt gleichsam in der Luft. Es liegt m. E.
kein Grund vor, an der Zugehörigkeit der beiden Fragmente zu der Basler Gruppe zu zwei-
feln, bei dem Wiener Behänge noch weniger als bei dem Kölner Stück, dessen Rasenbelag
mit den schweren lappigen Blattgewächsen nicht unerheblich von der Flora der bislang be-
sprochenen Teppiche abweicht. Der Wiener Behang dürfte dem Ende der siebziger Jahre
angehören, das Kölner Stück etwa ein Jahrzehnt später entstanden sein. Noch deutlicher
geißelt die Schäden der Zeit ein zweites Fragment der ehemaligen Sammlung Figdor, Wien
(Abb. 24b, H. 0,57 m, L. 0,62 m): Ein Wolf predigt auf hoher, aus Latten zusammengeschla-
gener Kanzel, auf dem Rücken baumelt ein schwerer Sack, aus dem die Hälse zweier abge-
würgter Gänse hängen. Am Fuße der Kanzel schleicht ein Fuchs. Andächtig lauschen vier
Gänse, den Rosenkranz im Schnabel, den Worten des falschen Propheten. Der dunkelblaue
Hintergrund ist von grünem Weinlaub und roten Beeren übersponnen, den Boden decken
flächig erfaßte Pflanzen, das Spruchband kündet:
„Listdickkeit (?) ■ han ■ ich • wol ■
do • mit • fuill (?) • (ich?) min ■ k ■ ■ ■ n (Kragen) • gar • foll ■ "
Der Inhalt, eine wenig freundliche Kontroverse auf das im Keim angefaulte Mönchstum, ist
unschwer zu verstehen; es fehlt nicht an zeitgenössischen und späteren Holzschnitten und
kunstgewerblichen Arbeiten, die das gleiche Thema behandeln107).
f) Die Ausläufer der Fabeltier-, Liebes - und Wildleuteteppiche.
Den Höhe- und Ausgangspunkt der Fabeltierteppiche — um immer wieder auf das lei-
tende Thema zurückzukommen — bildet der Behang mit dem Liebespaar und den vier
Bestien im Historischen Museum zu Basel (Abb. 25, H. 1,17 m, L. 2,87 m). Die Wirkerei
steht, von rein dekorativem Standpunkte aus betrachtet, wesentlich höher als die gleich-
zeitigen französischen und niederländischen Erzeugnisse. Sie verkörpert das flächige Prinzip
des Wandteppichs in einer nicht zu übertreffenden, geradezu vorbildlichen Weise. Der fröh-
liche Linienfluß der eleganten, schlanken Gestalten und der Tiere, begleitet und unterstri-
chen von lebhaft bewegten Spruchbändern, wird gebändigt und beruhigt durch das reiche
Hintergrundmuster, die Wiedergabe eines italienischen Seidenbrokats; leuchtend glühen
harmonisch gesättigte Farben in Grün, Rot und Blau.
Ein Jüngling, in braunrotem, brokatiertem Wams (Dolch und Almosentäschchen am
blauen Gürtel), roten Beinlingen, spitzen Schnabelschuhen, den wippenden Reiherstutz auf
dem Schappel, leitet am Schellenhalsband ein rotes hirschähnliches Fabeltier und ein blaues
Monstrum mit Pferdekopf und kurzen Hörnern. Den Körper der Bestien deckt das bekannte
Kreisornament. Das Spruchband kündet nach altem Rezept:
,,for mir mag kein dier sich gefristen
d(a)z schaff ich (alles) mit minen listen".
Als Gegenstück führt eine Jungfrau in rotem, langschleppendem Brokatkleid mit aufge-
setzten gelben Blumen, off enen, bis auf den Boden hängenden Flügelärmeln und Blumen-
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ger Herkunft) und den Begleittieren — Bock, Schwein, Affe — einen erotischen Beige-
schmack. Die Annahme trifft m. E. bedingt zu, wenngleich der Zeichner des Kartons sich
wohl wenig Kopfschmerzen über die Deutung der Tiere auf Grund der Bestiarienliteratur
gemacht haben wird. Die Satire stellt eine Frau oder ein Mädchen dar, die in lächerlicher
Weise ihre Hausfrauentugenden herauskehrt, die eifrig spinnt, selbst wenn sie zu Markte
reitet, kurz die einen Typ verkörpert, der viel verspricht und wenig hält, der mit Äußerlich-
keiten den Mann zu betören sucht. Den Hintergrund des Kölner Stückes deckt kein Stoff-
muster, Ranken schlingen sich über blühendem Rasen; die Gruppe des Wiener Teppichs
ist unmittelbar dem Brokatmotiv aufgelegt, sie schwebt gleichsam in der Luft. Es liegt m. E.
kein Grund vor, an der Zugehörigkeit der beiden Fragmente zu der Basler Gruppe zu zwei-
feln, bei dem Wiener Behänge noch weniger als bei dem Kölner Stück, dessen Rasenbelag
mit den schweren lappigen Blattgewächsen nicht unerheblich von der Flora der bislang be-
sprochenen Teppiche abweicht. Der Wiener Behang dürfte dem Ende der siebziger Jahre
angehören, das Kölner Stück etwa ein Jahrzehnt später entstanden sein. Noch deutlicher
geißelt die Schäden der Zeit ein zweites Fragment der ehemaligen Sammlung Figdor, Wien
(Abb. 24b, H. 0,57 m, L. 0,62 m): Ein Wolf predigt auf hoher, aus Latten zusammengeschla-
gener Kanzel, auf dem Rücken baumelt ein schwerer Sack, aus dem die Hälse zweier abge-
würgter Gänse hängen. Am Fuße der Kanzel schleicht ein Fuchs. Andächtig lauschen vier
Gänse, den Rosenkranz im Schnabel, den Worten des falschen Propheten. Der dunkelblaue
Hintergrund ist von grünem Weinlaub und roten Beeren übersponnen, den Boden decken
flächig erfaßte Pflanzen, das Spruchband kündet:
„Listdickkeit (?) ■ han ■ ich • wol ■
do • mit • fuill (?) • (ich?) min ■ k ■ ■ ■ n (Kragen) • gar • foll ■ "
Der Inhalt, eine wenig freundliche Kontroverse auf das im Keim angefaulte Mönchstum, ist
unschwer zu verstehen; es fehlt nicht an zeitgenössischen und späteren Holzschnitten und
kunstgewerblichen Arbeiten, die das gleiche Thema behandeln107).
f) Die Ausläufer der Fabeltier-, Liebes - und Wildleuteteppiche.
Den Höhe- und Ausgangspunkt der Fabeltierteppiche — um immer wieder auf das lei-
tende Thema zurückzukommen — bildet der Behang mit dem Liebespaar und den vier
Bestien im Historischen Museum zu Basel (Abb. 25, H. 1,17 m, L. 2,87 m). Die Wirkerei
steht, von rein dekorativem Standpunkte aus betrachtet, wesentlich höher als die gleich-
zeitigen französischen und niederländischen Erzeugnisse. Sie verkörpert das flächige Prinzip
des Wandteppichs in einer nicht zu übertreffenden, geradezu vorbildlichen Weise. Der fröh-
liche Linienfluß der eleganten, schlanken Gestalten und der Tiere, begleitet und unterstri-
chen von lebhaft bewegten Spruchbändern, wird gebändigt und beruhigt durch das reiche
Hintergrundmuster, die Wiedergabe eines italienischen Seidenbrokats; leuchtend glühen
harmonisch gesättigte Farben in Grün, Rot und Blau.
Ein Jüngling, in braunrotem, brokatiertem Wams (Dolch und Almosentäschchen am
blauen Gürtel), roten Beinlingen, spitzen Schnabelschuhen, den wippenden Reiherstutz auf
dem Schappel, leitet am Schellenhalsband ein rotes hirschähnliches Fabeltier und ein blaues
Monstrum mit Pferdekopf und kurzen Hörnern. Den Körper der Bestien deckt das bekannte
Kreisornament. Das Spruchband kündet nach altem Rezept:
,,for mir mag kein dier sich gefristen
d(a)z schaff ich (alles) mit minen listen".
Als Gegenstück führt eine Jungfrau in rotem, langschleppendem Brokatkleid mit aufge-
setzten gelben Blumen, off enen, bis auf den Boden hängenden Flügelärmeln und Blumen-
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