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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0238
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IL Schwaben.

1. Ausläufer der heimischen Tradition. Arbeiten
herumziehender flämischer Wirker (16. Jahrhundert).

Daß die alte heimische Tradition auch im 16. Jahrhundert nicht erloschen ist, beweist ein
aus dem Besitz von Arnold Seligmann, Rey and Company auf der Loan Exhibition of Gothic
Tapestries (The Arts Club of Chicago, December 1926, Nr. 20) gezeigter Behang, der seine
Abhängigkeit von dem bereits erwähnten, 1502 datierten Antependium (Madonna und sechs
Heilige) im Wiener Kunsthistorischen Museum nicht verleugnet. Die Mitte nimmt wieder
die Jungfrau mit dem Kinde ein, rechts stehen St. Johannes d. T. und Sancta Scholastica
(in der Tracht der Benediktinerinnen), links St. Bonifacius und St. Benediktus im Abt-
gewand. Das blühende Gewächs, das den Hintergrund überspinnt, ähnelt stark der Flora
des Wiener Teppichs.

Primitiv klösterliches Gepräge verrät ein von B. Kurth 1929 veröffentlichter1) kleiner
Wandteppich (H. 0,97 m, L. 1,72 m, Wolle, in den weißen Stellen Leinenfäden) in der Bla-
siuskirche zu Kaufbeuren. Der Namensheilige nimmt in einer hügeligen Landschaft mit
seltsam archaistischen Gewächsen Aufstellung, umgeben von den Tieren des Waldes; in
den Lüften schwirren Vögel. Trotz des gotisierenden und provinziellen Charakters ist das
Stück, nach den beigefügten Wappenschildern2) zu urteilen, erst 1578 entstanden.

Im Gegensatz zu der Kauf beurener Wirkerei steht eine von Flandern beeinflußte lange

Borte auf Schloß Heiligenberg (H. 0,25 m, L. 5,70 m, Abb. 213). Der Streifen wurde 1900

von Max Egon Fürst von Fürstenberg erworben. In der Mitte der Borte halten zwei Engel

eine Kartusche mit der Inschrift _

JVDICV

13 ■ 14 • 15 • 16

CAP • ANO

MDLXVI

Entsprechend rollen sich rechts und links die in den betreffenden Kapiteln des Buches der
Richter geschilderten Episoden aus dem Leben Simsons ab. getrennt und unterbrochen von
den Wappen Fürstenberg, Heiligenberg-Werdenberg und Solms. Es ist nicht ausgeschlos-
sen, daß Heinrich, Graf von Fürstenberg, der Gründer der Baarer Linie, der am
31. März 1560 die Gräfin Amalie von Solms als Gattin heimführte, als Stifter in Frage
kommt.

Der Wirker war zweifelsohne ein Niederländer mit Brüsseler Schulung. Bei der Klein-
arbeit der Figuren ist die technische Durchführung durchaus beachtenswert.

Leider geben die fürstenbergischen Archive keinen Aufschluß über die Entstehung des
interessanten Stückes3).

Ein ähnlicher, niedriger und sehr langer Streifen, jedoch mit weit stärkerem Brüsseler
Einschlag, eignete vor einigen Jahrzehnten Durlacher Bros., London (Abb. 214). Zur Dar-
stellung gelangten zehn Episoden aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohn. Mit Schwaben
hat das Stück allerdings nichts zu tun. Allenfalls kommt der Mittelrhein, in erster Linie
Mainfranken oder Frankfurt a. M. in Frage. Die Entstehungszeit dürfte um 1570 anzuset-
zen sein.

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