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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0262
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3. Erlangen.

a) Urkundliche Belege.

Christian, ein Sohn des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg, übernimmt nach
dem Erlöschen der älteren fränkischen Hohenzollern 1603 die Regierung der Markgraf-
schaft Bayreuth. Er ist ein überzeugter Anhänger des protestantischen Glaubens, ein unent-
wegter Gefolgsmann Gustav Adolfs. Ströme der Not ergießen sich über das fränkische Land.
Sein Enkel Christian Ernst verficht mit nicht minderem Eifer die Sache des Protestantis-
mus. Die ersten Jahrzehnte seiner Regierung (seit 1661) sind mit kriegerischen Ereignissen
ausgefüllt, er kämpft mit dem Großen Kurfürsten gegen Frankreich, wird kaiserlicher Feld-
marschall, verrichtet 1683 Heldentaten beim Entsätze von Wien. Die Unternehmungen, zu-
meist von Erfolgen gekrönt, vermehren den Ruhm des kriegsgewohnten Fürsten, sie er-
schöpfen zugleich in erschreckendem Maße die Kassen der ohnehin durch die Leiden des
Dreißigjährigen Krieges verarmten Markgrafschaft. Christian Ernst sieht als Kind seiner
Zeit zwei Auswege, die Goldmacherei und die Begründung lebensfähiger Manufakturen.
Das erste Gebiet kann füglich unerörtert bleiben.

Die Aufhebung des Ediktes von Nantes (18. Oktober 1685) treibt Tausende der tüchtig-
sten Kunsthandwerker aus der Heimat. Das Ausland nimmt die Refugies, von deren Tätig-
keit es sich eine starke Belebung der heimischen Unternehmungen verspricht, mit offenen
Armen auf. Bereits im Jahre 1681 versuchen die französischen Reformierten den Markgra-
fen zur Einwanderungsgenehmigung und Gewährung entsprechender Privilegien zu bewe-
gen. Der Versuch scheitert an dem Widerstreben des lutherischen Konsistoriums, das der
Not der reformierten Brüder nur wenig Verständnis entgegenbringt. Es bedurfte erst der
eifrigen Arbeit des französischen Agenten du Cros, um den Markgrafen, richtiger gesagt,
den widerspenstigen Geheimen Staatsrat und das Konsistorium zum Einlenken zu bringen.
Im Oktober 1685 trifft aus der Schweiz — dem ersten Zufluchtsort der Emigranten — eine
Abordnung der Einwanderungslustigen unter Führung von Jean de la Porte und Claude
Brousson am Hofe ein. Am 27. November 1685 ergeht das markgräfliche Edikt, das den
Refugies alle Rechte der Landeseingesessenen sowie die freie Ausübung des reformierten
Ritus zusichert, ihnen ferner erhebliche Beihilfen für die zu gründenden Manufakturen und
Steuerfreiheit auf fünf bzw. zehn Jahre in Aussicht stellt. Du Cros regelt den Einwande-
rungsstrom, der sich seit 1686 über das Bayreuther Gebiet ergießt. Als Niederlassung für
die Gewerbetreibenden unter den neuen Landeskindern wird in erster Linie die Residenz
Erlangen vorgesehen, die eine entsprechende Erweiterung erfahren soll. Am 14. Juli 1686
wird in „Neuerlang" — 1701 wird die Bezeichnung „Christian-Erlang" amtlich eingeführt
— der Grundstein der reformierten Kirche gelegt. 1% Jahre später erheben sich bereits die
Mauern des Gotteshauses, etwa 40 Siedlungsgebäude sind im Entstehen. Einzelheiten führen
zu weit. Das Zusammenarbeiten der Einheimischen und der Zugewanderten läßt oft zu
wünschen übrig, es fehlt an dem notwendigen Handwerksgerät — der Bau der Wirker-
stühle gerät ins Stocken — und an Rohmaterialien, namentlich an Wolle. Verhältnismäßig
rasch kommt die Strumpfwirkerei in Gang, ein Fabrikationszweig, der sich besonderer
Vorliebe erfreut — so auch in Berlin, Hameln und Hannover —, die Wandteppicherzeu-
gung macht gute Fortschritte; mit der Herstellung von Seidenwaren, denen der genügende

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