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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0138

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III. Die deutsche Ostseeküste.

1. Lübeck.

Die Klärung der lübischen Wirkereimanufakturen bereitete ungewöhnlich große Schwie-
rigkeiten, zumal das Staatsarchiv, trotz weitgehenden Interesses, keine Spuren von einhei-
mischen Werkstätten nachweisen konnte. Erst auf dem Umwege über polnische Archive1)
gelang es wenigstens die bedeutendste Manufaktur aus der Mitte des 16. Jahrhunderts fest-
stellen zu können. Bereits in den Rechnungsbelegen des mecklenburgischen Herzogs Hein-
richs V. (gest. 1552) findet sich unter dem 25. Juli 1551 die Notiz „137V2fl. dem Tebich-
macher von Lübeck vor etzlich Stück, so er m. gn. H. gemacht"2). Name des Wirkers und
Gegenstand der Darstellung werden nicht genannt. Mit starker Wahrscheinlichkeit handelt
es sich um den aus Brüssel gebürtigen, später in Wismar tätigen Meister Johann von Op-
horn, der um 1553 aus Lübeck sein Weib heimführt, eine Niederländerin und Anhängerin
des Wiedertäuferbekenntnisses, wie er selbst.

Anders liegen die Verhältnisse bei dem rund zehn Jahre späteren Nachlaßinventar Phi-
lipps I., des Herzogs von Pommern-Wolgast (26. Februar 1560), das zwei Stücke nennt
„darin Caninechen und Blumen, Rückelaken von dem Lübeschen Meister zur Probe zu
Banklaken erkaufft"3).

Der Wirker war zweifelsohne Roderigo Dermoien, ein Mitglied des berühmten Brüsseler
Wirkergeschlechtes4) Dermoyen (der Moyen, d'Armoyen). Ob sich die Werkstatt auf Eigen-
produktion beschränkte oder auch Handel mit niederländischen Folgen trieb, ist zunächst
nicht völlig geklärt. Doch scheint die letztere Annahme berechtigt zu sein. Das Atelier Ro-
derigos muß einen beträchtlichen Umfang besessen haben. 1561 erwirbt der schwedische
König Erik XIV. von Roderich der Moijenn eine aus elf Behängen zusammengestellte Folge
mit Episoden aus dem Leben des Kaisers Augustus (insgesamt 6145/8 Quadratellen)5). Die
Teppiche sind leider verschollen.

Im gleichen Jahre steht der regsame Meister in Verbindung mit dem kunstsinnigen Polen-
könig Sigismund August, der ihm, als seinem „getreuen Diener" einen Jahressold aussetzt,
der noch 1564 ausgezahlt wird6). Die Arbeiten für Polen müssen von erheblichem Umfang
gewesen sein. Leider werden die cortinae — der Ausdruck wird häufig im Sinne von Wand-
teppichen gebraucht — nicht näher erläutert. 1564 weilt Roderigo auf dem königlichen
Schlosse Knyszyn. Er nimmt das Schreiben Sigismund Augusts mit, um es dem Danziger
Kastellan Kostka — ein äußerst angesehenes Mitglied des polnischen Adels — zu übergeben.
Der Diplomat wird von seinem königlichen Herrn ersucht, Dermoien in jeder Weise behilf-
lich zu sein, um die bestellten Behänge recht bald fertigzustellen7). Der Text des Briefes
läßt darauf schließen, daß der Meister 1564 einen Filialbetrieb in Danzig oder Marienburg
unterhielt, wenngleich die Zentralmanufaktur in dem 1563 erworbenen Hause in der Johan-
nisstraße zu Lübeck verblieb. Das Ableben Roderigos erfolgt 1576; seine Witwe Maria und
die Kinder Roderigo, Johannes und Anneke treten das Erbe an. Ob die Werkstatt — was
anzunehmen ist — unter Leitung der Witwe und der Söhne fortgesetzt wurde, ist nicht mit
Sicherheit zu ermitteln.

Ebenso schwierig ist die Entscheidung, ob die Folgen, die Laurentius Rilschi8) 1578 nach
Schweden bringt —■ die Geschichten von Adam, Eva und Noah, Tierteppiche, verschiedene
Stücke mit dem polnischen Wappen —, aus Dermoiens Werkstatt stammten, zumal Sigis-
mund August in Mengen unmittelbar Brüsseler Folgen erwarb, die zum größten Teil im
Schlosse Wawel (Krakau) wieder vereinigt sind.

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