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entreißt. Gehören denn die Thränen der Mütter und der Angst-
schweiß der Völker mtt zu dem Etgenthume der Könige? Es
ist Zeit, daß die Nationen wieder einmal zu Athem kommen.
Es ist Zeit, daß die Mächte der Erde endlich aufhören, einander
zu quälen und zu zerreißen; es ist Zeit, daß die Throne be-
sestigt werden, und daß man anfhöre, Frankreich den Vorwurf
zu machen, es wolle mit dem Brande seiner Revolution die
ganze Welt entzünden." Das ganze Gerede wirkt nicht wohl-
thätig auf das Gefühl wie Wahrheit, die warm überfließend
aus dem Herzen kommt; man sieht nur allzu sehr den Rhetor,
der nach großen Effecten hascht, und diese jetzt am besten dadurch
zu erreichen hofft, daß er Keckheit kundthut in der allgemeinen
Furchtsamkeit, und denn doch wieder jedes kühne Wort gleich
mit einer Zuthat von Schmeichelei versüßt. Es ist keine wahre
gediegene Kraft in diesen Spiegelfechtereien, sie sind zusammen-
gewebt nach den Regeln jener Sophistenkünste, gegen die schon
Demosthenes in Athen so heftig donnerte, ob er gleich selbst nicht
ganz frei davon geblieben. Doch zeigte der Redner persönlichen
Charakter, als er dem Präsidenten, den der Kaiser gegen die
Verfassung eingeschoben, auf die Aeußerung, was er gesprochen
sei constitutionswidrig, treffend und wohl erwiederte: „Hier ist
nichts constitutionswidrig als Jhre Gegenwart." Heftig wurde
der Kaiser über diese erste Regung eines ihm so feindseligen
Geiftes erzürnt. Die vielen Länderabtretungen, die der Redner
beliebt, waren ihm ein verhaßtes Ding; er sagte: wenn es nach
ihnen ginge, müßte ich noch mehr hergeben, als die Feinde ver-
langen, wobei er freilich die rechten Feinde nicht mit inbegriff.
Sie seien nicht die Repräsentanten des Volkes, wie er ihnen schon
einmal, als die Kaiserin Josephine auch das Wort gebraucht,
weitläufig bewiesen. Senat und Staatsrath gingen ihnen noch
weit vor. Die Reden, die sie geführt, wolle er einmal zu ihrer
Beschämung, und jener der Nation dem Drucke übergeben;
 
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