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Vermeer van Delft, Jan; Goldscheider, Ludwig [Hrsg.]
Johannes Vermeer: Gemälde; Gesamtausgabe mit Einleitung, Katalog, Signaturen-Tafel, 83 einfarbigen und 34 farbigen Wiedergaben — Köln, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.51036#0011
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figur, zu einem Preise von 300 Gulden, aber nach der Meinung dieses
französischen Kunstsammlers höchstens 50 oder 60 wert.4
Das ist alles, was Vermeers Zeitgenossen über ihn zu sagen hatten.
Die Geschichte seines Ruhmes beginnt im Jahre 1866, mit den drei illustrier-
ten Aufsätzen, die, zusammen nicht mehr als 58 Seiten, Bürger-Thore ihm in
der Gazette des Beaux-Arts widmete. -
Der Parnaß ist ein Wolkengebirge, das mit jedem Windstoß seine Umrisse
ändert. Dort wohnen die Unsterblichen, aber ihre Unsterblichkeit ist nicht ganz
sicher; es ist ein ewiges Kommen und Gehen. Winckelmann, der weiseste
Kunsthistoriker seiner Zeit, hielt Michelangelo für einen schlechten Bildhauer;
Voltaire suchte zu beweisen, daß Shakespeare wenig Wert habe; für Burck-
hardt war Rembrandt nicht einmal der bedeutendste Maler Hollands. Wen
hielten diese Kritiker für die größten aller Künstler und Dichter, wenn nicht
Michelangelo, Shakespeare und Rembrandt? Für wessen Unsterblichkeit
stimmten sie? Wir glauben es besser zu wissen, merkwürdiger Weise haben
wir keine Schwierigkeit, wenn wir die Namen aller nennen sollen, die auf dem
Parnaß zu wohnen berechtigt sind; wir zweifeln nicht an der Gerechtigkeit des
jüngsten Kunstgerichts, das Urteil scheint uns unwiderrufbar.
Bürger-Thore war es, der den Rang Vermeers neu bestimmte und damit
recht behielt.5 Seine drei Aufsätze waren von Begeisterung erfüllt, dabei klar-

4 Das ist noch ein hoher Schätzwert. Im Herbst des
Jahres 1676 beschlagnahmte Jan Coelenbier, ein
Haarlemer Kunsthändler, sechsundzwanzig Bilder aus
dem Nachlasse Vermeers; dies im Auftrage einer
Delfter Krämerin, welcher Catharina Vermeer 500
(oder vielleicht auch nur 442) Gulden für gelieferte
Lebensmittel schuldete. (Allem Anscheine nach be-
fanden sich damals die Bilder aus Vermeers Kunst-
sammlung oder Kunsthandlung noch in seinem Hause
am Oude Langendijk; nach dem Nachlaßinventar
waren dort 21 vorhanden, darunter drei Bilder von
Carei Fabritius, zwei von Hoogstraeten und eines von
Jacob Jordaens. Ich nehme also an, daß die beschlag-
nahmten Gemälde Werke von Vermeer waren.)
Sechsundzwanzig Gemälde für 500 Gulden ist eine
sehr tiefe Schätzung; allerdings war das inmitten des
holländisch-französischen Krieges, als Kunstwerke
keinen guten Markt hatten. In dieser Zeit, und noch
viele Jahrzehnte später, wurden die Gemälde von
Hobbema, Hercules Seghers und sogar Rembrandt
schlecht bezahlt. Am höchsten geschätzt war damals
und im folgenden Jahrhundert Gerard Dou.

5 Es ist wahr, daß auch schon vorher sich verein-
zelte Stimmen zum Ruhme Vermeers erhoben hatten,
aber sie waren unbeachtet verhallt: Reynolds (1781),
Lebrun (1792), Gautier (1858). - Andrerseits hatte
Bürger-Thore kein Gefühl für die Grenzen von
Vermeers Werk und machte viele falsche Bestim-
mungen: z.B. Schlafendes Dienstmädchen (Valentiner
199-B, Esaias Boursse), mit falscher Vermeer-Signatur,
in Bürger-Thores Besitz und 1866 von ihm als
Vermeer veröffentlicht; außerdem zahlreiche Gemälde
von Vrel, Cornelis de Man, Burgh und Hooch (z.B.
Valentiner 20, 21, 32, 62, 70, 228 und 254), alle von
ihm auf den Namen Vermeer getauft. - Bürger-
Thore besaß eine Anzahl von echten Vermeer-
Gemälden und scheint nicht abgeneigt gewesen zu
sein, mit diesen und mit anderen Bildern zu handeln.
So verkaufte er im Jahre 1868 einen Pieter de Hooch,
den er erst zwei Jahre lang besessen hatte (Valentiner
53). Vermeers Perlenhalsband (Tafel 48) hatte Bürger-
Thore im Jahre 1869 gekauft und schon 1874 an die
Sammlung Suermondt in Aachen weitergegeben (jetzt
im Berliner Museum). In seiner Nachlaß-Auktion

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