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sichtsschleier der Frauen — berichtet Münzer ebenso, wie er sich
über die Wohnverhältnisse unterrichtet oder eine maurische Waf-
fensammlung besichtigt.
Mit großer Ausführlichkeit beschreibt er die verschiedenen Mo-
scheen, die er besucht, und die Art des mohammedanischen Gottes-
dienstes, dem er beiwohnt. Der Reichtum und die Pracht der Mo-
scheen erregen seine mit Neid gemischte Bewunderung. Namentlich
den strahlenden Glanz der vielen Lampen und Kandelaber hebt er
immer wieder hervor; zwei vielfarbige Ampeln, die aus Mekka
stammen, bestaunt er in Almeria. Doch während seine Augen den
Äußerlichkeiten der Anbetung Allahs folgen, erwacht in ihm der
Wunsch, Näheres über die fremde Lehre zu erfahren. In Saragossa
befragt er mit Hilfe eines Dolmetschers einen mohammedanischen
Priester, der ihm bereitwillig Rede und Antwort steht. Besonders
über Heirat und Scheidung, Mono- und Polygamie wünscht Mün-
zer Aufklärung, und der Mufti berichtet, was der Koran darüber
bestimmt. Er bekümmert sich in gleicher Weise um das Ge-
setz des falschen Propheten, der die Dreieinigkeit leugnet,
die unbefleckte Empfängnis nicht gelten läßt, Christi Gött-
lichkeit verwirft und die Sakramente als bewußte Täuschung des
Klerus hinstellt. Töricht, meint Münzer, ist des Korans Auffassung
der fleischlichen Genüsse des Paradieses. Christus sei nach der mo-
hammedanischen Lehre im Paradiese und werde dereinst den Anti-
christ zu Fall bringen. Auch verehrten die Muselmänner die hl.
Jungfrau, die hl. Katharina und Johannes den Täufer. Ein alter
Maure zeigt dem Reisenden einen Rosenkranz, der von der Palme
stammt, die mit ihren Datteln die Mutter Gottes auf der Flucht nach
Ägypten in der Wüste speiste. Auch auf ihren letzten Weg begleitet
Münzer die Mauren. Er läßt sich die Art ihrer Grabmäler beschreiben
und wohnt selbst einem mohammedanischen Begräbnis bei. In Toledo
nimmt er an dem prunkvollen Leichenbegängnis des Kardinals Pe-
dro de Mendoza teil, ein anderes sieht er in Santiago di Compo-
stella; als die für ein Begräbnis daselbst zu entrichtenden Natural-
gebühren zählt er auf: einen vollen Weinschlauch, zwei Säcke Brot,
zwei Ochsenviertel, zwei Hämmel und das Sonntagsgewand des
Toten.
Er ist sich bewußt, daß die hochstehende maurische Kultur nicht
auf Spanien beschränkt ist, vielmehr eine einheitliche Gesamtheit
darstelle. Bei der Beschreibung der maurischen Wohnhäuser in
Granada meint er, ihre Bauart entspreche der in Ägypten oder sonst

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