er keine anderen Absichten verfolgt, äusser solchen, die das
Publikum nicht interessieren, weil es künstlerische Absichten
sind. Er weiss, dass unter Umständen der Beruf des Künstlers
ein grosses Opfer heischt — das Leben, und klagt darum nie
darüber, missverstanden, verläumdet, verhöhnt zu werden.
Die Leute wünschen, dass der Künstler, der von ihnen
aufgenommen werden möchte, sich von ihnen nicht unterscheide,
dass er seinen Beruf so treibe, wie sie ihr Geschäft. Er be-
unruhigt sie, wenn er anders ist, denn sie sind Bourgeois und ganz
und gar normal, wie sie mit eitler Genugtuung immer wieder
betonen. Der normale bürgerliche Mensch bekümmert jedoch
den Künstler wenig, wie Gide einer seine Figuren sagen lässt, weil
er sich unterdrücken und dennoch überall wiederfinden lässt.
Der Normalspiesser ist der „Generalnenner der Menschheit, der,
den man in der Arithmetik, wenn die Zähler gegeben sind, unter
jeder Ziffer fortlassen kann, ohne dass sie ihre persönliche Kraft
verliert. Der normale Mensch, das ist jener Rückstand, jener
Rohstoff, den man nach dem Schmelzen, bei dem sich Besonder-
heiten verfeinern, auf dem Boden der Retorten wiederfindet. Er
ist die ursprüngliche Taube, die man durch die Kreuzung der
Variationen wieder erhält — eine graue Taube — die farbigen
Federn sind gefallen; er hat nichts mehr, was ihn unterscheidet.“
Der Künstler will sich aber unterscheiden. Schiele nun ist ein
Differenzierter. Seine Malereien sind die form vollen Manifestationen
gesichtssinnlich nervöser Empfindungen, empfindlicher Impres-
sionen. Sie entstanden und entstehen aus Trieb und Drang, ohne
Pose, ohne Verbitterung, völlig hoffnungslos, und gefallen darum
nur jenen, denen sinnliches Erleben unscheinbarer und verbor-
gener Lebensaugenblicke und deren künstlerisch vollzogene Über-
tragung auf die Fläche noch immer als Werte gelten, die sie nicht
entbehren möchten.
Der persönliche Umgang mit Schiele gibt keine Behelfe
zur Erschliessung mancher Rätselhaftigkeit in seiner Malerei.
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Publikum nicht interessieren, weil es künstlerische Absichten
sind. Er weiss, dass unter Umständen der Beruf des Künstlers
ein grosses Opfer heischt — das Leben, und klagt darum nie
darüber, missverstanden, verläumdet, verhöhnt zu werden.
Die Leute wünschen, dass der Künstler, der von ihnen
aufgenommen werden möchte, sich von ihnen nicht unterscheide,
dass er seinen Beruf so treibe, wie sie ihr Geschäft. Er be-
unruhigt sie, wenn er anders ist, denn sie sind Bourgeois und ganz
und gar normal, wie sie mit eitler Genugtuung immer wieder
betonen. Der normale bürgerliche Mensch bekümmert jedoch
den Künstler wenig, wie Gide einer seine Figuren sagen lässt, weil
er sich unterdrücken und dennoch überall wiederfinden lässt.
Der Normalspiesser ist der „Generalnenner der Menschheit, der,
den man in der Arithmetik, wenn die Zähler gegeben sind, unter
jeder Ziffer fortlassen kann, ohne dass sie ihre persönliche Kraft
verliert. Der normale Mensch, das ist jener Rückstand, jener
Rohstoff, den man nach dem Schmelzen, bei dem sich Besonder-
heiten verfeinern, auf dem Boden der Retorten wiederfindet. Er
ist die ursprüngliche Taube, die man durch die Kreuzung der
Variationen wieder erhält — eine graue Taube — die farbigen
Federn sind gefallen; er hat nichts mehr, was ihn unterscheidet.“
Der Künstler will sich aber unterscheiden. Schiele nun ist ein
Differenzierter. Seine Malereien sind die form vollen Manifestationen
gesichtssinnlich nervöser Empfindungen, empfindlicher Impres-
sionen. Sie entstanden und entstehen aus Trieb und Drang, ohne
Pose, ohne Verbitterung, völlig hoffnungslos, und gefallen darum
nur jenen, denen sinnliches Erleben unscheinbarer und verbor-
gener Lebensaugenblicke und deren künstlerisch vollzogene Über-
tragung auf die Fläche noch immer als Werte gelten, die sie nicht
entbehren möchten.
Der persönliche Umgang mit Schiele gibt keine Behelfe
zur Erschliessung mancher Rätselhaftigkeit in seiner Malerei.
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