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KATALOG

1. TRAG ALTAR 2. Hälfte 12. Jh. (Abbildung 1)

Brauner Kalzit in Holzrahmen, Silber gestanzt und vergoldet.
Höhe = 2 cm, Breite = 23 cm, Tiefe — 20,5 cm. Altar-
stein: Höhe = i,l cm, Breite = 16,5 cm, Tiefe = 12 cm.

Der tafelförmige Tragaltar gehört zu dem ältesten Typ
der beweglichen Altäre, die von Ort zu Ort mitgenom-
men wurden. Er ist beiderseits zu verwenden und ent-
hält eine Reliquie. Jede Mensa, die keinen geweihten
Altarstein besaß, bedurfte eines solchen Portatiles, ehe
der Priester die Messe feiern konnte1.

Im ersten Inventar des Münsterschatzes von 1483 wer-
den: „Item 4 betstein“'2 summarisch aufgeführt, ohne
nähere Angaben über das Aussehen derselben. Dies er-
fahren wir erst im Schatzverzeichnis von 1548. Dort
werden fünf Tragaltäre kurz beschrieben: „1 betstein
in gold gefaßt, 1 in silber, 3 in holz gefaßt.“3 Die beiden
erstgenannten befinden sich heute noch im Münster.
Der fünfte Tragaltar war von dem Meister Niklaus
Knobloch dem Münster 1512 geschenkt worden, und
zwar „. . . ein brünen manneistein betstein ingewasset in
einem wissen ziechlin.“4 Betsteine werden sie genannt,
da an ihnen die Meßliturgie nur gebetet, nicht aber
gesungen werden durfte5.

Der Altarstein aus braunem, durchsichtigem Kalzit sitzt
in einem rechteckigen Holzrahmen, der auf drei Seiten
von vergoldeten Silberblechen überzogen ist. Vier
Blechstreifen sind jeweils auf der Vorder- und Rück-
seite aufgenagelt, ebenso an den Schmalseiten. Die über-
einstimmende Genauigkeit der sich wiederholenden
Schmuckelemente spricht für die Verwendung von
Stanzen, über deren ausgeschnittenen Ornamenten das
Silberblech getrieben wurde. Zehn verschiedene Motive
finden sich am Tragaltar. Die Eckmedaillons der Vorder-
seite füllen straff geformte Greifen, die sich von dem
punktierten Grund abheben. Ein Perlstab umzieht das
Rund, die Ecken zeigen sich gegenüberstehende Blatt-
ranken. Wellenförmige große und kleine Ranken
zwischen einem Rundstab zieren die Streifen. Die große
Blattranke vor punktiertem Grund umgibt auch den
äußeren Rand des Altarsteins. Die Rückseite ist noch

reicher behandelt, doch sind größere Teile aus dem
Blech herausgebrochen. Ein heraldischer Königskopf
über stilisierter Ranke, gerahmt von zwei sich gegen-
überstehenden Drachen mit verschlungenen Hälsen,
schmückt die quadratischen Ecken. Das Drachenmotiv
wiederholt sich auch auf den Seitenbändern. Zwei recht-
eckige, von Perlstäben umzogene Flächen zeigen einen
kleinen und einen großen Drachen, dessen Schwanz
ganz ornamental in einem Dreiblatt endigt. An den
Langseiten rahmen die Drachen einen von links nach
rechts steigenden Löwen im Vierpaß6.

Der Tragaltar stammt sicher nicht vom Oberrhein. Die
Stanze mit der großen wellenförmigen Blattranke ist
zur spätromanischen Fassung der byzantinischen Deme-
triusplatte aus dem Weifenschatz verwandt worden7.
W. Noack glaubt daher, daß der Freiburger Tragaltar
in der gleichen niedersächsischen Werkstatt, wahrschein-
lich in Braunschweig, entstanden ist, wo er auch die
späte Fassung der Demetriustafel vermutet. Durch die
erste Gemahlin Heinrichs des Löwen, Clementia von
Zähringen, könnte das Portatile nach Freiburg gekom-
men sein8. Georg Swarzenski ist anderer Ansicht9. Nach
ihm gehört die Stanze zu einer „maasländischen Gold-
schmiedewerkstatt“. Nun finden sich an den sakralen
Geräten, die im 12. Jahrhundert in den Werkstätten
dieser Landschaft gearbeitet wurden, häufig sehr ver-
wandte Motive, meist allerdings in Grubenschmelz-
technik. Swarzenski vermutet daher, daß der Tragaltar
durch den Lütticher Bischof Rudolf von Zähringen
1191 nach Freiburg kam. Diese Ansicht hat etwas Be-
stechendes, denn wie wir noch erfahren, verdankt Frei-
burg ihm die Reliquie des hl. Lambertus, der im späten
Mittelalter Stadtpatron wurde. Wenn sich in dem Reise-
gepäck des Bischofs ein Tragaltar befand, kann es
eigentlich nur einer sein, der in seinem Bischofssitz an
der Maas gearbeitet worden ist. Nach seinem Tod erbte
Bertold V. von Zähringen seinen Nachlaß. Das Por-
tatile kam wie auch das Kopfreliquiar des Lambertus in
eine Kapelle auf der Burg oberhalb der Stadt. Wenn der
„brünen marmelstein betstein“ - der Kalzit sieht wie
brauner Marmor aus - durch Meister Knobloch dem

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