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Gombert, Hermann
Der Freiburger Münsterschatz — Freiburg [u.a.], 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.27919#0100
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Söhne einnimmt. Von dem Doppelporträt gehen, wie
bei einem Stammbaum, gegossene und vergoldete Lor-
beerzweige aus, deren Äste sich oberhalb der Medaillons
herziehen und bei jedem Kinderbild enden. Zwei wei-
tere Silbermedaillons, am unteren Teil der beiden ande-
ren Felder angebracht, zeigen das gravierte Wappen des
Kaiserhauses und eine Widmungsinschrift Marie Antoi-
nettes, aus der hervorgeht, daß sie am 30. April 1770
die Ampel stiftete. Den unteren Abschluß bildet eine
Rosette mit einem Schlangenring. Die Ampel zeigt
Wiener Beschau, die Meistermarke1 wSl und die ein-
gravierte Signatur ,,Seb. Würth fec. 1770“. Es handelt
sich um den Wiener Goldschmied Ignaz Sebastian
Würth. Die Medaillons tragen die Initialen I. N. W.
und F. W., d. h., die Ziseleure Johann Nepomuk Würth
und Franz Xaver Würth schufen die Porträts2.

Die Ampel stiftete Marie Antoinette dem „königlichen
Bild“ in der Wallfahrtskirche Burgau bei Günzburg.
Früher, im 19. Jahrhundert, hatte man angenommen,
sie sei eine Schenkung Maria Theresias an das Freiburger
Münster, da man die Widmungsinschrift nicht gelesen
hatte. Auf ihrer Reise nach Frankreich, als Braut des
Dauphins Louis, besuchte Marie Antoinette die vom
Kaiserhaus sehr begünstigte Wallfahrtskirche in Burgau.
Wenige Tage später wurde sie in Freiburg mit großen
Ehren empfangen. Die Wallfahrtskirche war eine Stif-
tung der Erzherzogin Maria Eleonora von Österreich,
seit 1678 Gemahlin Karls V., Herzogs von Lothringen.
Als sie im Jahre 1679 auf einer Reise von Günzburg
nach Innsbruck spürte, daß sie Mutter geworden war,
verließ sie sogleich die Kutsche, dankte Gott für das
große Glück und gelobte, hier eine Kapelle zu errichten.
Als die Wallfahrt bald einen großen Zulauf fand, erwei-
terte sie den Bau zu einer stattlichen Kirche, die der
allerseligsten Jungfrau geweiht war. Auch Kaiserin
Maria Theresia hatte dorthin den kostbaren Kelch ge-
stiftet (Nr. 42). Joseph II. hob die Wallfahrt auf. 1787
wurde die Kirche auf Abbruch versteigert und die
Kirchenschätze in Günzburg zum Verkauf angeboten.
Hier haben die Freiburger am 14. September 1789 die
Ampel im Tausch gegen andere Silbergeräte und Para-
mente erworben3. Der Tauschwert betrug 478 Gulden4.

1 R3 7858 und 7953.

2 E. W. Braun, Der Freiburger Münsterschatz, a. a. O.
S. 15 ff.

3 MA., Inventar von 1820, S. 35, Nr. 2.

4 Friedr. Kempf, Neue Nachrichten, a. a. O. S. 68ff.

47. ALTARLEUCHTER

Joseph Anton Seethaler, Augsburg 1771 (Abbildung 60)

Silber getrieben, z. T. gegossen, punziert und graviert.
Höhe mit Dorn = 75 cm, untere Breite = 21 an

Der Prokurator der Münsterfabrik Franz Conrad Weber
- diesen Titel führten im 18. Jahrhundert die Münster-
schaffner - stiftete für den Altar im Frauenchörlc sechs
silberne Rokoko-Leuchter. Mit dieser Schenkung be-
gann er die Verwirklichung seines Planes, den ganzen
Altar mit Silber zu verkleiden. Leider erfüllte sich sein
Wunsch nie, da mit den von ihm gestifteten Geldern
der Silberaltar (Nr. 38) der „Großen Lateinischen
Kongregation“ zur Ausschmückung des Hochaltars
erworben wurde. Die Leuchter sind noch vorhanden
und tragen alle sein eingraviertes Wappen und die Um-
schrift in den Initialen: „F. C. W. V. P. T. E. F. P.“, d. h.
„Franz Conrad Weber Vicarius Pro Tempore Ecclesiae
Friburgensis Procurator“.

Die Seitenflächen des auf drei Volutenfüßen stehenden
Sockels sind ein wenig 'vorgewölbt. Sie zeigen einen
blanken, ovalen Spiegel inmitten von Rocaillen und
Blüten. Auf einem dieser Spiegel sind jeweils Wappen
und Umschrift angebracht. Darauf erhebt sich der drei-
fach gegliederte Schaft, der die muschelförmige Tropf-
schale trägt. Die Übergänge vom Dreieck der Basen
zum Rund und der dreifachen Verästelung am Ende
jedes Schaftgliedes sind fließend gelöst. Der getriebene
Rocailleschmuck mit den eingestreuten Blüten ver-
schleiert jede Härte. Neun silbrige flache Kugeln vor
gepunztem Grund schmücken den Bauch des vasen-
förmigen Knaufs, den drei Volutenhenkel umgeben.
Das obere Schaftglied, feiner in seiner bewegten Form,
ist durch ein Zwischenglied vom Knauf getrennt. Alles
ist organisch entwickelt, die Form frei gelöst und
schwingend, obwohl ein ordnendes Prinzip im Ganzen
hegt. Immer klingt die Dreizahl an, stets neu variiert.
Die Lichtstöcke zeigen Augsburger Beschau und die
Meistermarke IAS im Oval, d. h., sie wurden von Jos. A.
Seethaler geschaffen, der aus Dießen a. Ammersee
stammte und als angesehener Meister nach 1795 in
Augsburg starb2.

1 MA., Regierung des Oberrheinkreises, Freiburg,
Kirchengeräthe (1820-63).

2 R3 270 (1769-71), 272 (1771-73) und 1018; Schröder,
Augsburger Goldschmiede, a. a. O. S. 589f„ Nr. 26.

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