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Grautoff, Otto; Rayski, Louis Ferdinand von [Ill.]
Ferdinand von Rayski — Grotesche Sammlung von Monographien zur Kunstgeschichte, Band 4: Berlin: G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.61214#0017
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DIE BILDNISSE

FERDINAND von Rayski war ein Einsamer. Wer sich die Mühe gibt, in
dem systematischen Verzeichnis seiner Gemälde die Lebensdaten der Darge-
stellten durchzusehen, wird feststellen können, daß Rayski nach seinen Wander-
jahren mit wenigen Ausnahmen nur Mitglieder des sächsischen Adels porträtiert
hat, die mit ihm und unter sich verwandt waren. Der Wirkungskreis des
Künstlers war also erschreckend klein. Dazu kommt, daß viele Bildnisse nicht
aus Bewunderung für den Maler, sondern aus Mitgefühl mit dem mittellosen
Adligen entstanden sind. In der Künstlerschaft Dresdens war er bekannt,
aber nicht als Genie anerkannt. Kein Akademieprofessor, kein Kunstschrift-
steller hat sich warm und entschieden für ihn eingesetzt. Nicht Haß und
Neid zogen seinen Ruf herunter, Gleichgültigkeit umgab ihn. Das Bürgertum
kannte seine Bildniskunst nicht, seinen Namen kaum. Wie kam das?
Der Adel Sachsens und Frankens war um die Mitte des vorigen Jahr-
hunderts nicht Hüter der Kunst in Deutschland. Er hatte kein lebendiges
Verhältnis zur Malerei. Seine Schlösser waren nicht wie in England mit
Statuen, Bildern und Zeichnungen angefüllt, nicht Zeugen eines künstlerischen
Sammeleifers, nicht Stätten, in denen die Kunst der Gegenwart Asylrecht
hatte. Außer Ahnenbildern enthalten die Landsitze in Sachsen und Franken
nur ausnahmsweise Werke der Kunst. Die Glorifizierung des deutschen
Adels durch Rayskis Bildnisse konnte im Bürgertum der fünfziger Jahre
kein Verständnis finden, weil seine große Menschendarstellung den be-
schränkten und verknöcherten Idealen, dem engbrüstigen und materia-
listischen Geist der bürgerlichen Welt entgegengesetzt war. Wie die bebrillte
Pedanterie der Biedermeier an Rayskis Porträts die kleinliche Behandlung
des Details vermissen mußte, so entsprach auch seine Kunst nicht den
Forderungen nach Präzision und Bestimmtheit in Zeichnung und Farbe,
die die Akademie vertrat. Aus dem Mangel an Größe der adligen und
der bürgerlichen Welt erklärt sich der Widerstand gegen Rayskis Kunst.
Grautoff, Rayski 1

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