314
O, ihr Hoffnungen, liebliche Truggebilde,
Die ich hegte als Kind; die immer und immer,
Wo es auch sei, mir neu vor die Seele treten,
Soll ich euch nie vergessen? Wohl begreif' ich,
Wahn sind Ehre und Ruhm; Genuß und Reichthum
Eitler Trug: das Leben trägt keine Früchte;
Unnütze Mühe dies Elend; und wenn ich selber
Dunkel, verlassen und fruchtlos meine Jahre
Hingehen sehe, so war's am Ende nichts Großes,
Das mir das Glück versagt hat: aber ihr.
Wenn ich eurer gedenke, ihr, meine frühsten
Hoffnungen, ihr anfänglichen lieben Bilder,
Dann erst erscheint mir das Dasein, das ich führe,
So verächtlich, erstickend, dann erst empfind' ich.
Daß nur Eins noch zu hoffen bleibe, der Tod,
Und es drängt mir das Herz ab, und ich finde
Nirgends Trost für den Jammer meines Schicksals.
O, und wenn sich der Tod, den ich ersehne,
Endlich naht, und wenn sich ein Ende bietet,
Hinter mir wie ein fremdes Thal die Erde,
Vor mir die Zukunft fort — o, eurer werd' ich
Dann noch gedenken, einen letzten Seufzer
Werdet ihr Zauberträume meiner Kindheit
Noch mir entpressen, werdet den letzten Schmerz
Um ein vergeudetes Dasein mir bereiten,
Und das Entzücken, mit dem ich mich ihm entwinde.
Durch ein letztes Erinnern an euch verkümmern.
Das Gedicht ist hier noch nicht zu Ende; der Dichter
wendet sich noch jener Nerina zu, die er liebte, und die früh
starb. An viele Frauen hat er sich mit Versen gewandt,
Verse aber, die zu viel verlieren, wenn sie nicht in ihrer
eigenen Sprache gelesen werden. Auch ist, was ich hier gebe,
keine Uebersetzung, sondern die Niederschrift der Gedanken,
die Leopardi's Ricordanze in mir erweckten. Paul Hepse hat
sie im jambischen Accente übertragen *), mir aber scheint die
i) In seiner, bei Wilhelm Hertz in der dritten Auflage erschiene-
nen Uebersetzung von Gedichten und Prosastücken Leopardi's, denen er
O, ihr Hoffnungen, liebliche Truggebilde,
Die ich hegte als Kind; die immer und immer,
Wo es auch sei, mir neu vor die Seele treten,
Soll ich euch nie vergessen? Wohl begreif' ich,
Wahn sind Ehre und Ruhm; Genuß und Reichthum
Eitler Trug: das Leben trägt keine Früchte;
Unnütze Mühe dies Elend; und wenn ich selber
Dunkel, verlassen und fruchtlos meine Jahre
Hingehen sehe, so war's am Ende nichts Großes,
Das mir das Glück versagt hat: aber ihr.
Wenn ich eurer gedenke, ihr, meine frühsten
Hoffnungen, ihr anfänglichen lieben Bilder,
Dann erst erscheint mir das Dasein, das ich führe,
So verächtlich, erstickend, dann erst empfind' ich.
Daß nur Eins noch zu hoffen bleibe, der Tod,
Und es drängt mir das Herz ab, und ich finde
Nirgends Trost für den Jammer meines Schicksals.
O, und wenn sich der Tod, den ich ersehne,
Endlich naht, und wenn sich ein Ende bietet,
Hinter mir wie ein fremdes Thal die Erde,
Vor mir die Zukunft fort — o, eurer werd' ich
Dann noch gedenken, einen letzten Seufzer
Werdet ihr Zauberträume meiner Kindheit
Noch mir entpressen, werdet den letzten Schmerz
Um ein vergeudetes Dasein mir bereiten,
Und das Entzücken, mit dem ich mich ihm entwinde.
Durch ein letztes Erinnern an euch verkümmern.
Das Gedicht ist hier noch nicht zu Ende; der Dichter
wendet sich noch jener Nerina zu, die er liebte, und die früh
starb. An viele Frauen hat er sich mit Versen gewandt,
Verse aber, die zu viel verlieren, wenn sie nicht in ihrer
eigenen Sprache gelesen werden. Auch ist, was ich hier gebe,
keine Uebersetzung, sondern die Niederschrift der Gedanken,
die Leopardi's Ricordanze in mir erweckten. Paul Hepse hat
sie im jambischen Accente übertragen *), mir aber scheint die
i) In seiner, bei Wilhelm Hertz in der dritten Auflage erschiene-
nen Uebersetzung von Gedichten und Prosastücken Leopardi's, denen er