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Die sogenannte Frauenbewegung ist noch nicht zu der
Stärke gediehen, daß ein Mann gezwungen wäre, Stellung zu
ihr zu nehmen. Immer noch ist es leicht, sie mit einem
kräftigen Achselzucken sich vom Halse zu halten. Aber auch
die, welche so denken, werden im Laufe des Lebens immer
wieder sich genöthigt sehen, folgende Beobachtungen zu
machen. Ein Mann hat eine Familie begründet; er stirbt;
es ist kein Vermögen vorhanden; die Frau und die Töchter
wollen anständig existiren; sie suchen sich Arbeit; es zeigt
sich, daß sie für keine die nöthige ernstliche Vorbildung
empfangen haben: Was ist zu thun? Oder: Wir haben
eine große Anzahl von Lebensstellungen, welche nur von
Frauen ausgefüllt werden können; die Inhaberinnen der-
selben empfinden Alle, jede nach anderer Richtung, das Un-
zureichende der ihnen zu Theil gewordenen Vorbildung; sie
fühlen sich dadurch mit Recht benachtheiligt: Was ist zu thun?
Und drittens: Alle heute lebenden Frauen, jüngere und ältere,
haben die Empfindung einer gewissen Mangelhaftigkeit in Er-
füllung ihrer socialen Thätigkeit; sie suchen über dieses sie
bedrückende Gefühl sich klar zu werden; suchen es los zu werden;
sie schlagen zu diesem Zwecke die verschiedensten Wege ein;
sie meinen, daß keiner recht zum Ziele führe; sie kommen
endlich zum Resultate, es müsse in ihrer Erziehung etwas
verfehlt worden sein; sie drängen auf Besserung. Es ver-
steht sich von selbst, daß diese Dinge anders von Müttern,
anders von jungen Töchtern, anders von Frauen, die unver-
heirathet sind und einsam für sich sorgen müssen, sowohl er-
fahren als empfunden und debattirt werden. Diese drei
Kategorien sind völlig verschieden zum Leben gestellt. Helene
Lange wendet sich an alle drei. Den Müttern macht
Die sogenannte Frauenbewegung ist noch nicht zu der
Stärke gediehen, daß ein Mann gezwungen wäre, Stellung zu
ihr zu nehmen. Immer noch ist es leicht, sie mit einem
kräftigen Achselzucken sich vom Halse zu halten. Aber auch
die, welche so denken, werden im Laufe des Lebens immer
wieder sich genöthigt sehen, folgende Beobachtungen zu
machen. Ein Mann hat eine Familie begründet; er stirbt;
es ist kein Vermögen vorhanden; die Frau und die Töchter
wollen anständig existiren; sie suchen sich Arbeit; es zeigt
sich, daß sie für keine die nöthige ernstliche Vorbildung
empfangen haben: Was ist zu thun? Oder: Wir haben
eine große Anzahl von Lebensstellungen, welche nur von
Frauen ausgefüllt werden können; die Inhaberinnen der-
selben empfinden Alle, jede nach anderer Richtung, das Un-
zureichende der ihnen zu Theil gewordenen Vorbildung; sie
fühlen sich dadurch mit Recht benachtheiligt: Was ist zu thun?
Und drittens: Alle heute lebenden Frauen, jüngere und ältere,
haben die Empfindung einer gewissen Mangelhaftigkeit in Er-
füllung ihrer socialen Thätigkeit; sie suchen über dieses sie
bedrückende Gefühl sich klar zu werden; suchen es los zu werden;
sie schlagen zu diesem Zwecke die verschiedensten Wege ein;
sie meinen, daß keiner recht zum Ziele führe; sie kommen
endlich zum Resultate, es müsse in ihrer Erziehung etwas
verfehlt worden sein; sie drängen auf Besserung. Es ver-
steht sich von selbst, daß diese Dinge anders von Müttern,
anders von jungen Töchtern, anders von Frauen, die unver-
heirathet sind und einsam für sich sorgen müssen, sowohl er-
fahren als empfunden und debattirt werden. Diese drei
Kategorien sind völlig verschieden zum Leben gestellt. Helene
Lange wendet sich an alle drei. Den Müttern macht