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Hals, Frans [Hrsg.]; Grimm, Claus <Prof., Dr.> [Hrsg.]
Frans Hals: Entwicklung, Werkanalyse, Gesamtkatalog — Berlin, 1972

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https://doi.org/10.11588/diglit.29837#0129
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DIE THEMATIK DER BILDER, BILDTYPEN UND MOTIVE

Das uns überkommene CEuvre Hals' gliedert sich in:

a) Porträts: Einzelbildnisse, Pendantbildnisse, zwei Doppelbildnisse, ein Familienbild und
neun Gruppenbilder.

b) Genredarstellungen, ein- und mehrfigurig, und

c) zwei (ehemals vier) erhaltene religiöse Darstellungen.

An Bildtypen116 sind verwendet: das Brustbild, das Halbfigurenbild, das Kniestück, das
Ganzfigurenbild.

Die Formate reichen vom sehr kleinen, im gemalten Oval- oder Rundrahmen gefaßten
Bildnismedaillon bis zu den Großformaten für die lebensgroßen Schützengruppen.

Die Bewegungsmotive kehren vielfach wieder als stehende Bildformeln. Vom Körper
abgespreizte und an den Körper angelegte Armbewegung kommen vor, recht häufig
auch beide gleichzeitig in Gegensatz gestellt. De Vries117 wies als erster auf die Tradition
der Bildnistypen hin, die erst eine Generation vor Hals in den Niederlanden aufgenom-
men wurden (so das Dreiviertel- und ganzfigurige Porträt erstmals durch Anthonis Mor).
Sämtliche bei Hals verwendeten Bildnistypen finden sich bereits im 16. Jahrhundert und
zuerst in Italien, — auch viele der für ihn so typischen Motive von Arm- und Hand-
bewegungen. Einzelne gestische Motive sind bei den Utrechtern entlehnt (Bloemaert,
Honthorst, Terbrugghen), bei zwei Bildern (Doppelbildnis [Kat. 34] und van der Broecke
[Kat. 38]) weisen die Motive auf Rubens.

Das Genre besitzt innerhalb des Werkes Hals' keine Sonderstellung; die Genrehand-
lung wird ins Physiognomische verlegt. Insgesamt ergibt sich das Bild einer künstle-
rischen Leistung, deren Themen und Motive nahezu ausnahmslos vorgeprägt sind. Das
Neuartige besteht in ihrer geistigen Durchdringung und in der Variation ihrer Kombi-
nation und Darbietungsweise.

Für eine oberflächliche ikonographische Betrachtung ergibt sich wenig Material bei Hals:
alles ist Porträt. Dennoch findet auch vom Thema her eine deutliche Wandlung statt —
und zwar in der Bildhandlung, die dessen Präsentation motiviert. In den frühesten
Porträts besteht noch ein Anspruch einer relativ statischen, in sich geschlossenen Wirk-
lichkeit — der Person und dessen, was sie an zeitloser Wirklichkeit verkörpert. Attribut
und Gestus versichern solche Bestimmung. Allerdings ist das Schauen der Dargestellten
bereits ambivalent, sowohl ein spontanes Aus-dem-Bild-heraus-blicken wie auch Verkör-
perung eines dauernd gegebenen Bewußtseins, das des Beschauers nicht bedarf. Die seit
dem Zaffiusbild (1611) einsetzende Bewegung um die Augenlider, Nasenflügel und
Mundwinkel betont eine momentane mimische Spannung und läßt den Gesichtsausdruck
als teilweise auf Vorübergehendes, auf wechselhafte Situationen gerichtet, als reagierend
erkennen. Seit dem Lachenden Kavalier (1624, [Kat. 17J) ist dieses vorübergehende
Gegenüber im Betrachter aufgesucht, seit dem Massa (1626, [Kat. 22]) findet
wiederholt eine geistige Korrespondenz mit einem Objekt sowohl außerhalb
des Bild- wie des Betrachterraumes statt. Die geistige Aktion und Reaktion gegen-
über dem Bildbetrachter wird nachfolgend immer vorsichtiger, kurzfristiger, nur noch

116 Ewald Rathke, Porträttypen bei Frans Hals, Diss. Köln, 1952.

117 A. B. de Vries, Het noord-nederlandsche portret in de tweede helft van de 16° eeuw, Amster-
dam 1934.

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