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Hals, Frans [Hrsg.]; Grimm, Claus <Prof., Dr.> [Hrsg.]
Frans Hals: Entwicklung, Werkanalyse, Gesamtkatalog — Berlin, 1972

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https://doi.org/10.11588/diglit.29837#0156
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auf einen quasi zufallsgesteuert einfallenden Lichtschein zurück; nach 1640 fällt die Er-
leuchtungspräferenz der Gesichter und Hände mit dem Zufall der lichtabsorbierend-
dunkelfarbigen Bildumgebung (Kleider) in eins135.

Das Helldunkel erweist sich als die Möglichkeit der Ästhetisierung von Sekundärphäno-
menen (die als »schön«, als »wahr« mittels der Kraft des Lichtes erlebbar werden) mittels
einer doppelbestimmten, als Sekundärphänomen des Lichtes verstandenen Farbe.

DASPORTRÄT

In welcher Weise und wie stark sich die künstlerische Gestaltung dem Thema verbindet,
erfordert zu wissen, welchen Anspruch die besondere Bildgattung erhebt, — was im
Rahmen dieser Gattung erreichbar ist. Den zahlreichen historischen Urteilen über Porträt-
malerei136 stehen wenige heute verwendbare Definitionen des Porträtbegrilfes (bzw.
seiner historischen Stadien) gegenüber. Die Fraglosigkeit des jeweils vorhandenen
»Bildes vom Menschen« schloß das aus. P. J. Vinken und E. de Jongh137 haben jüngst
die psychologisierenden Überinterpretationen der beiden späten Gruppenbilder Hals'
analysiert und teilweise widerlegt. Die Kernfrage war, was der Künstler wiedergeben
kann. Nur Physiognomisches (dazu zählt auch die Abspiegelung allgemeiner Emotionen),
nicht den Charakter oder ein Element von Charakter, war die Antwort. Sie ist falsch.
Hermann Deckert138 hat, frühere Definitionen präzisierend, definiert: »Porträt ist die
Repräsentation eines Individuums durch abbildende Darstellung der anschaulichen Er-
scheinung eines bestimmten Menschen«. Wir wollen sinngemäßer abändern: Porträt ist
die Repräsentation eines Individuums durch deutende Darstellung der anschaulichen
Erscheinung eines bestimmten Menschen. »Die sinnliche Erscheinung — weit genug er-
faßt — drückt das Wesen des Menschen nicht restlos aus: Fühlen, Denken, Wollen,
Sympathie, Voneinanderhören, Miteinanderfühlen, seine Taten ..., das formt sein Bild,
dazu unsere Selbsterfahrung, die es uns möglich zu machen scheint, sein Wesen im Ver-
gleich zu bestimmen« (gekürztes Zitat). Die physische Erscheinung gibt niemals restlosen
Aufschluß, doch aus Zügen der sinnlichen Erscheinung schließen wir auf das Wesen. Das
bei Vinken und de Jongh abgehandelte physiognomische Problem ist nicht gestellt, denn
»Porträt gibt nicht die sinnliche Erscheinung, sondern die anschauliche, eine anschauliche
Abstraktion von der anschaulichen Erscheinung des Menschen .. .«139. »Der Maler wählt
bereits aus den möglichen Aspekten der Physiognomie den, der das Wesentliche seines
Eindrucks sinnfällig macht, es ausdrückt«138. Es ist also nur eine Fortführung der Ge-

135 Der Zufall in seiner Motivationsfunktion ist hervorragend dargestellt bei: Reinhart Kosel-
leck, Der Zufall als Motivationsrest in der Geschichtsschreibung. In: Die nicht mehr schönen
Künste. Arbeitsergebnisse einer Forschungsgruppe III. München 1968, S. 129—141.

136 Erstmalige Zusammenschau der Porträtgeschichte und umfassende Zusammenstellung von
Zitaten bei: Wilhelm Waetzold, Die Kunst des Porträts. Leipzig 1908.

137 P. J.Vinken und E. de Jongh, De boosardigkeit van Hals regenten en regentessen. In: Oud
Holland, 1963, Heft 1/2, S. 1 ff.

138 Hermann Deckert, »Zum Begriff des Porträts«, Marburger Jahrbuch, Bd. 5,1929, S. 261—282.

139 Richard Delbrück, »Antike Porträts«, Tabulae in usum scholarum, Bonn 1912, und J. Burck-
hardt, »Über die Anfänge der neueren Porträtmalerei«. In: »Vorträge«, Basel 1919.

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