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Gröber, Conrad [Editor]; Merk, Alfred [Editor]; Konrad [Honoree]
Das St.-Konrads-Jubilaeum 1923: Jubiläum der Heiligsprechung und des 1. Konradifestes 26. Nov. 1123 : Festbericht mit Festblättern — Konstanz: Druck und Verlag der Aktiengesellschaft Oberbadische Verlags-Anstalt, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.61848#0176
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und Gediegenheit gebildet werden. Die Klunyazenser sind auch
auf künstlerischem Gebiete die Bringer und Förderer einer straffen
Disziplin, also einer Tugend, ohne die auf keinem Gebiete etwas
Großes erreicht werden kann. Darin liegt ihre baukünstlerische
Bedeutung. Die eminent steinmetzmäßige Gesinnung der klunya-
zensischen Bauleute ist nicht nur eine im Handwerk begründete,
sondern sie ist im geistigen Gehalt der ganzen Bewegung fest
verankert. Für Deutschland ist das Kloster Hirsau im Schwarz-
wald das Mutterkloster für all die zahlreichen weiteren Grün-
dungen und der Ausgangspunkt der „Hirsauer Bauschule" ge-
worden. Diese in einer strengen Zucht erzogenen Hirsauer Bau-
leute kamen durch ganz Deutschland und haben überall die sofort
erkennbaren Zeichen ihrer Tätigkeit hinterlassen. Der Geist streng-
ster Disziplin spricht aus den Hirsauer Bauten. Das Kloster Hirsau
selbst haben die Franzosen in sinnloser Weise 1689 niedergebrannt,
nur noch der nördliche der für die Klunyazenserbauten üblichen
Westtürme ist stehen geblieben und gibt in seiner schlichten, straff
aufgeführten Form des quadratischen Prismas einen Begriff der
Gesamtarchitektur der Kirche. In Kluny entstanden kurz hinter-
einander drei Kirchen, die mittlere ist das Vorbild für die meisten
Kirchen des Ordens geworden. Zwei Westtürme, zwischen ihnen
gefaßt oder zwischen Türmen und Langhaus eine Vorhalle oder
besser Vorkirche für die Laien, und wohl auch für die großen
Prozessionen, die in der Liturgie des früheren Mittelalters eine
außerordentliche Rolle spielen, dann das Langhaus selbst, daran
anschließend gegen Osten das Querschiff — in Süddeutschland fehlt
es häufiger — und als Abschluß Chorquadrat mit Hauptapsis und
Nebenpresbyterien mit Nebenapsiden in den Verlängerungen der
Seitenschiffe, so stellt sich das Schema der Kluny azenserkirche dar,
wiederum den geistigen Inhalt der ganzen Bewegung kraftvoll
zum Ausdruck bringend. In den späteren Kirchen beginnt schon
die Wölbung eine Rolle zu spielen, die ja in der ersten Hirsauer
Kirche, in St. Aurelius, die kurz nach der Mitte des 11. Jahr-
hunderts entstand, über den Seitenschiffen dem ursprünglichen
Baubestand angehört. So haben diese ausgezeichneten Werkleute
der Steinmetztechnik einen großen Fortschritt ermöglicht und die
Vorstufe zur höchsten Steinmetzkunst, zur Gotik, geschaffen.
Und immer neue Wellen wirft die gewaltige religiöse Bewe-
gung, die in den Kreuzzügen ihre größte Auswirkung findet, in
die Höhe. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts entsteht als Haupt-
träger des Kreuzzugsgedankens die dritte benediktinische Reform-
bewegung mit ihrer besonderen Baukunst, der Orden der Zister-
zienser. Diese Kreuzzugsprediger lebten noch mehr und mit noch
unbeugsamerer Folgerichtung der Askese, und der Geist äußerster
Einfachheit spricht auch aus ihren Kirchen. Sie strichen den Turm
grundsätzlich aus ihrem Bauprogramm, ein Dachreiter über der
Vierung als Glockenträger mußte genügen. Sparsamste Ver-
wendung der Schmuckformen, wie z. B. das Verbot farbiger
Fenster, dafür aber höchste Gediegenheit für die unbedingt not-
 
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