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Grosjean, Georges [Hrsg.]; Cavelti, Madlena [Hrsg.]
500 Jahre Schweizer Landkarten — Zürich, 1971

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https://doi.org/10.11588/diglit.10984#0038

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abgesetzt, was für die damaligen Verhältnisse außerordentlich hoch
war. Ohne Kellers Wissen wurde die Karte in Paris, London, Mai-
land, aber auch in der Schweiz nachgestochen und unter Kellers
134 Namen verkauft. 1833 erschien Kellers Zweite Reisekarte, neu
bearbeitet und vergrößert in den Maßstab 1:440000, 53 Xöfcm.
Die Karte erschien in zahlreichen Neuauflagen bis zu Kellers Tod

im Jahre 1862. Das Erbe Kellers ging schließlich in die Kartographi-
sche Anstalt Kümmcrly & Frey in Bern über. Neben den Rcisekarten
veröffentlichte Keller kleine Kärtchen aller Kantone und schuf auch
die ersten eigentlichen Schülerkarten der Schweiz, 1830 auch die
erste Schulwandkarte im Maßstab 1: 200000, 114 X 172cm groß.

Kellers einfacher Kartenstil, insbesondere seine anspruchslosen
raupenförmigen Gebirgszüge sind ungemein populär geworden und
prägen noch heute den Stil von Schulbüchern, Schülerheften und
Wandtafclzcichnungcn der Lehrer. Kellers Karten beruhen natürlich
nicht auf eigenen Vermessungen und topographischen Geländeauf-
nahmen, sondern sind im großen und ganzen eine Vulgarisicrung
des Meyerschcn Atlasses. Ergänzt aber hat Keller auf seinen zahl-
reichen Reisen Bäder, Hotels, Berghäuser, Aussichtspunkte, Höhlen,
Wasserfälle, Ruinen, Mühlen, Ziegeleien und alles, was ihm sehens-
wert erschien, in einfachen, leicht verständlichen Signaturen. Die
damals so beliebtenWasscrfälle erscheinen als Pfeile. Keller hat somit
einen recht bedeutenden Anteil an der Entwicklung der Signaturen-
sprache der modernen Touristikkarten. Besonders ausgezeichnete
Weinbaugebiete gibt er durch einzelne Rebsignaturen an. Vier Stra-
ßenklassen sind unterschieden. Höhen von Gipfeln und Pässen sind
in der ersten Rcisckartc in Fuß über dem Spiegel des Vicrwaldstätter-
sees, in der zweiten Reisekartc über Meereshöhe angegeben. In der
ersten Schulwandkarte erscheinen noch zu einzelnen Gegenden An-
gaben wie in den Karten Gabriel Walsers, zum Beispiel: «Sehr viel
Käse» oder «Vorzüglicher Käse». Am Rand der Reisekarten erscheinen
Stadt- und Ortsplänc. In der ersten Reisekartc verweisen Textfelder
bei den Ortschaften auf die beigegebenen Ansichten und Neben-
kärtchen. Wie liebevoll und fleißig Keller gearbeitet hat, zeigt die
unserer Sammlung als ganzes Blatt beigegebene Karte des Kantons
Zürich, die 1828 erstmals erschien. Die in der Karte als Miniatur-
ansichten eingetragenen Kirchen entsprechen genau den an Ort und
Stelle aufgenommenen Zeichnungen Kellers, von denen zwei Bei-
spiele, Bassersdorf und Albisrieäcn, in unserem Text als Illustrationen
aufgenommen sind.

DAS PIONIERJAHRHUNDERT
DER AMTLICHEN KARTOGRAPHIE

Das 19. Jahrhundert bringt für die Schweiz erst die notwendige Ver-
bindung von exakter Geodäsie und Kartographie. Unter dem Ein-
fluß der Franzosen und insbesondere der Napolconischcn Kriege
lernt man die Bedeutung guter topographischer Karten kennen, und
es setzt sich - mühsam allerdings - die Auffassung durch, daß es dazu
sehr exakter geodätischer Vorarbeiten bedarf. Jedermann kennt die
Dufourkartc als Endprodukt dieses Prozesses und weiß um ihren
Ruhm. Unbekannt und vergessen ist in weitesten Kreisen der un-
wahrscheinlich mühsame Weg bis zu diesem Ergebnis. Dieser Weg
führte über Gipfel und Grate, zu Erstbesteigungen von Vicrtauscn-
dern, durch Kampf gegen Schnee, Sturm und Nebel, oft mit Einsatz
des Lebens. Der Weg führte aber auch mit unendlicher Geduld in
Amtsstuben und Sitzungen zum Kampf gegen den Unverstand, zum
Feilschen um jeden Franken, über Zwistigkeiten und Zerwürfnisse,
Depressionen und Verlcidcr und manch persönlich tragisches Schick-
sal bis zur Vollendung des Werkes. Dieser Weg zur Dufourkarte
und zum Siegfriedatlas kann hier nur andeutungsweise in großen
Etappen skizziert werden.

Die Mediationszeit brachte in vielen Kantonen und Gebieten der
Schweiz Ansätze zu exakter Geodäsie mit eigentlichen, mit hoher
Präzision durchgeführten Basismessungen und anschließender Tri-
angulation. Johann Georg Tralles, der in Bern und im Unternehmen
von Johann Rudolf Meyer zunächst erfolglos gewesen war, kommt
das Verdienst zu, entscheidende Impulse gegeben und eine kleine
Schar von Schülern herangebildet zu haben, welche in der nächsten
Generation von Geodäten und Kartographen der Schweiz einen be-
deutenden Platz ausfüllen. Vorerst freilich dominierten noch die
Franzosen. Aufgrund eines Vertrages, der noch zur Zeit der Einen
und unteilbaren Helvetischen Republik abgeschlossen wurde, begann

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