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fühl in der Art wie sie die Entwicklung der höchsten Voll-
kommenheit aus den bescheidensten Anfängen darstellen, wie
sie auf der einen Seite die Gefahren schildern, und auf der
anderen die Mittel, welche sie überwinden, je nachdem der
Erzähler die Aufmerksamkeit seiner Hörer zu lenken wünscht“ k
Wenn man die folgende Geschichte vom kleinen Kagsagsuk
gelesen hat, wird man Rink sicher Recht geben. Sie ist eine
der beliebtesten bei den Eskimos und zeigt in der That alle
charakteristischen Vorzüge ihrer epischen Kunst. Wir geben
sie hier, abgesehen von einigen unwesentlichen Kürzungen, in
derselben Form, in der sie Rink auf Grund von neun ver-
schiedenen Berichten veröffentlicht hat.
„Es war einmal ein armer kleiner Waisenknabe, der unter
unbarmherzigen Menschen lebte. Er hiess Kagsagsuk, und
seine Pflegemutter war eine elende alte Frau. Sie hausten in
einem jämmerlichen kleinen Loche am Hauseingange. Sie
durften den Wohnraum des Hauses nicht betreten; sondern
Kagsagsuk lag unter den Hunden im Gange, um sich zu
wärmen; und wenn die Männer ihre Schlittenhunde mit Peitschen-
hieben weckten, so kümmerten sie sich wenig darum, wenn die
Hiebe auch den armen Jungen trafen. Wenn sich die Männer
an Walrossspeck und gefrorenem Fleische gütlich thaten und
der kleine Kagsagsuk über die Thürschwelle hereinlugte, steckten
sie zuweilen die Finger in seine Nasenlöcher und hoben ihn
daran in die Höhe; infolgedessen wuchsen seine Nasenlöcher,
aber im Uebrigen blieb er so klein wie er war. Sie gaben
dem armen Burschen gefrorenes Fleisch, aber kein Messer, um
es zu zerschneiden; seine Zähne, sagten sie, wären gut genug
dazu; und zuweilen rissen sie ihm ein paar Zähne aus, weil er
zu viel ässe. Seine arme Pflegemutter machte ihm Stiefeln
und einen kleinen Speer, damit er hinausgehen und mit den
anderen Kindern spielen könnte; diese aber warfen ihn um,
rollten ihn im Schnee umher, füllten seine Kleider mit Schnee
1 Rink. ß9.
fühl in der Art wie sie die Entwicklung der höchsten Voll-
kommenheit aus den bescheidensten Anfängen darstellen, wie
sie auf der einen Seite die Gefahren schildern, und auf der
anderen die Mittel, welche sie überwinden, je nachdem der
Erzähler die Aufmerksamkeit seiner Hörer zu lenken wünscht“ k
Wenn man die folgende Geschichte vom kleinen Kagsagsuk
gelesen hat, wird man Rink sicher Recht geben. Sie ist eine
der beliebtesten bei den Eskimos und zeigt in der That alle
charakteristischen Vorzüge ihrer epischen Kunst. Wir geben
sie hier, abgesehen von einigen unwesentlichen Kürzungen, in
derselben Form, in der sie Rink auf Grund von neun ver-
schiedenen Berichten veröffentlicht hat.
„Es war einmal ein armer kleiner Waisenknabe, der unter
unbarmherzigen Menschen lebte. Er hiess Kagsagsuk, und
seine Pflegemutter war eine elende alte Frau. Sie hausten in
einem jämmerlichen kleinen Loche am Hauseingange. Sie
durften den Wohnraum des Hauses nicht betreten; sondern
Kagsagsuk lag unter den Hunden im Gange, um sich zu
wärmen; und wenn die Männer ihre Schlittenhunde mit Peitschen-
hieben weckten, so kümmerten sie sich wenig darum, wenn die
Hiebe auch den armen Jungen trafen. Wenn sich die Männer
an Walrossspeck und gefrorenem Fleische gütlich thaten und
der kleine Kagsagsuk über die Thürschwelle hereinlugte, steckten
sie zuweilen die Finger in seine Nasenlöcher und hoben ihn
daran in die Höhe; infolgedessen wuchsen seine Nasenlöcher,
aber im Uebrigen blieb er so klein wie er war. Sie gaben
dem armen Burschen gefrorenes Fleisch, aber kein Messer, um
es zu zerschneiden; seine Zähne, sagten sie, wären gut genug
dazu; und zuweilen rissen sie ihm ein paar Zähne aus, weil er
zu viel ässe. Seine arme Pflegemutter machte ihm Stiefeln
und einen kleinen Speer, damit er hinausgehen und mit den
anderen Kindern spielen könnte; diese aber warfen ihn um,
rollten ihn im Schnee umher, füllten seine Kleider mit Schnee
1 Rink. ß9.